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Der drohende Siegeszug der EU-Feinde

Rechtspopulisten könnten bei der Europawahl rund ein Drittel der Sitze gewinnen. Wie viel Macht sie dadurch erhalten, hängt von ihrer Geschlossenheit ab.

Irgendwo in einem der vielen Straßenzüge hat Steve Bannon sein neues Büro. Donald Trumps ehemaliger Chefstratege gründete im vergangenen Jahr in Brüssel eine Stiftung. Ihr Ziel: Den Rechtspopulismus in Europa zu stärken und aus den vielen, höchst unterschiedlichen Parteien eine schlagkräftige Einheit zu bilden.

Entsprechend heißt die Stiftung „Die Bewegung“. Seither ist der ultrarechte Bannon in Europa unterwegs. „Nach der Wahl wird jeder Tag in Brüssel Stalingrad sein“, verkündete der US-Amerikaner vergangene Woche großspurig in der „Neuen Zürcher Zeitung“.

Nachdem in den vergangenen Jahren EU-weit immer mehr Rechtspopulisten in die nationalen Parlamente und teils auch in die Regierungen gezogen sind, herrscht in Brüssel die Sorge vor einem großen rechten Block im EU-Parlament. Gemäß den Umfragen könnte bei der Wahl am Sonntag etwa ein Drittel der Stimmen auf Populisten und Nationalisten entfallen, von denen viele den Staatenbund grundsätzlich ablehnen.

Deswegen gilt die Europawahl als Richtungsentscheidung. Was wird die EU zukünftig sein? Wird es eine stärkere EU-Integration geben, oder beginnt ein Rückfall in ein Europa der Nationalstaaten? „Es geht darum, ob wir Europa den Chaoten, Spaltern und Angstmachern überlassen. Denjenigen, die Europa letztlich kaputt machen wollen“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Kommt es am Sonntag bei den Europawahlen zum großen Knall?

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Dass die Briten, die mittlerweile eigentlich kein Teil der EU mehr sein wollten, doch an der Europawahl teilnehmen werden, ist ein großes Übel für die gemäßigte Parteienlandschaft. Die Prognosen sprechen Nigel Farages Brexit-Partei 37 Prozent der Stimmen zu. Als drittgrößtes EU-Land, stehen dem Vereinigten Königreich 73 Sitze zu. Ein Pluspunkt für das Lager der EU-Skeptiker.

„In Großbritannien wie auch in anderen Mitgliedstaaten wird die Europawahl als Ersatzreferendum gegen die Regierung benutzt, anstatt sich mit der Zukunft der EU auseinanderzusetzen“, sagte der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen. Das führe dazu, „dass noch mehr Europafeinde als zuvor die Arbeit des Europäischen Parlaments torpedieren“.

Verteilt auf mehrere Fraktionen

Auch jetzt schon gibt es viele Rechtspopulisten im Europaparlament. Eigene Themen können sie aber nicht voranbringen. Das liegt daran, dass sie keinen geschlossenen Block formen, sondern sich auf drei Fraktionen aufteilen, die kaum zusammenarbeiten wollen. Teilweise sind sie sogar innerhalb ihrer eigenen Parteien gespalten.

Es gibt die Europäischen Konservative und Reformer (EKR), denen unter anderem die Schwedendemokraten und die polnische Regierungspartei PiS angehören. Zu der Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD) zählen die Brexit-Partei und auch die AfD. Auch von den Schwedendemokraten sind hier zwei Abgeordnete vertreten.

Weiter rechts davon steht die Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF), welche Politikwissenschaftler teils als rechtsextrem charakterisieren. Mitglieder sind die flämische Separatistenpartei Vlaaams Belang, die französische Rassemblement National (früher Front National), die niederländische Partij voor de Vrijheid (PVV) von Geert Wilders, die italienische Lega Nord und die österreichische FPÖ.

Die deutschen Abgeordneten, die 2014 über die Liste der AfD ins Parlament einzogen, sind auf diese drei Fraktionen verteilt. Der Flügel um Parteigründer Bernd Lucke, der 2015 aus der AfD austrat und eine eigene Partei Liberal-Konservative Reformer (LKR) gründete, gehört der EKR an.

Marcus Pretzell wurde aus der Fraktion ausgeschlossen, woraufhin dieser sich der ENF anschloss. Mittlerweile ist er Mitglied der Blauen Partei, deren Vorsitzende seine Ehefrau Frauke Petry ist und die 95 Mitglieder zählt. Jörg Meuthen, als einziger EU-Abgeordneter noch AfD-Mitglied, gehört der EFDD an.

Wer mit wem?

Derart zersplittert, können die Rechtspopulisten im Parlament nur eingeschränkt agieren. Nach der Wahl soll das anders werden. Vergangenes Wochenende kündigten rechtsnationale Politiker an, eine Fraktion mit dem Namen „Bündnis Europäische Allianz der Völker und Nationen“ zu bilden. Dabei sind die AfD, die italienische Lega und der französische Rassemblement National. Auch die Brexit-Partei sei willkommen, hieß es.

Zudem hatte Meuthen im Sommer dem Handelsblatt gesagt, dass er auch „sehr gerne mit Orbán zusammenarbeiten“ würde. Die Partei des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán, gehört derzeit der Europäischen Volkspartei (EVP) an, in der auch die CDU Mitglied ist. Nach der Wahl könnte sie sich von der EVP abwenden.

Die Ibiza-Affäre in der österreichischen FPÖ wird von den rechtspopulistischen Parteien unterschiedlich bewertet. So hat Orbán zur FPÖ eigentlich ein gutes Verhältnis. Die Politiker der österreichischen Partei empfängt er freundschaftlich in Budapest. Anfang des Monats pries er die österreichische Regierungskoalition aus der konservativen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ gar als „Modell für Europa“.

Doch im Rahmen der Affäre distanzierte sich Orbán vom mittlerweile zurückgetretenen FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache. AfD-Chef Jörg Meuthen verteidigte dagegen die FPÖ: Man dürfe das Verhalten Straches nicht auf die ganze FPÖ übertragen, auch wenn dieses „inakzeptabel“ gewesen sei.

„Meuthen kann sich nicht eine Woche vor der Wahl von der Partei distanzieren, mit der er nach der Wahl eine gemeinsame Fraktion bilden will“, erklärt der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer die Aussage. Ob der Skandal um die FPÖ ein großes rechtes Bündnis im Europaparlament verhindert, ist nicht absehbar.

Es gibt noch Hoffnung

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ist optimistisch, dass sich die Causa Strache zumindest positiv auf die Wahlbeteiligung auswirkt. „Das wird viele Bürger zusätzlich motivieren, an die Urnen zu gehen und ein klares Signal gegen die Rechtspopulisten zu setzen. Davon bin ich überzeugt.

Sie wollen nicht den Falschen die Entscheidung über ihre Zukunft überlassen.“ Er hoffe, dass die Wahlbeteiligung bei 60 Prozent liegen werde. 2014 hatten EU-weit 42,6 Prozent der Wahlberechtigen von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht.

In den Niederlanden wurde bereits am Donnerstag gewählt. Dort schnitten die Rechtspopulisten, gemäß einer Nachwahl-Befragung, tatsächlich schlecht ab. Die Partei Forum voor Democratie (FVD) des Rechtspopulisten Thierry Baudet erzielte demnach 11 Prozent. Aus den niederländischen Provinzwahlen vor zwei Monaten war die Partei noch als stärkste Kraft hervorgegangen. Abgeschlagen ist ebenfalls rechtspopulistische Partei von Geert Wilders mit einem prognostizierten Ergebnis von 4 Prozent.

Stattdessen haben überraschenderweise die Sozialdemokraten die meisten Wählerstimmen gewonnen. Dies könnte an Frans Timmermans liegen, der als Niederländer für die Sozialdemokraten der europaweite Spitzenkandidat ist. Timmermans hatte immer wieder aufgerufen, den Rechtspopulisten nicht Europa zu überlassen.

Mehr: Für die EU stellt sich perspektivisch die Existenzfrage. Nationalistische Kräfte sind in fast allen Mitgliedstaaten auf dem Vormarsch.