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Das Aus eines Selbstbedieners: Automanager Carlos Ghosn erneut in Haft

Carlos Ghosns Lage wirkt aussichtslos. In Japan ist der frühere Nissan-Renault-Mitsubishi-Chef wegen Unterschlagung und Bilanzfälschung nach nur einem Monat in Freiheit zum zweiten Mal verhaftet worden. In Frankreich hat zudem Renault die Staatsanwaltschaft über Unregelmäßigkeiten informiert und streicht ihm die Vergütung für 2018 sowie Pensionsansprüche zusammen, wie der Verwaltungsrat am Mittwoch bekanntgab.

Die erneute Verhaftung ist für Ghosn eine dramatische Wende. Nach seiner ersten Verhaftung am 19. November saß er bereits bis zum 6. März in Haft, als ein Gericht ihn auf Kaution freiließ. Es sei vollkommen unverständlich, warum Ghosn jetzt erneut festgenommen werden müsse, sagte sein Anwalt Junichiro Hironaka am Donnerstag. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft verglich er mit einer „Geiselnahme“.

Dabei wollte der Automanager gerade seine Medienoffensive starten, um seine Unschuld zu beteuern. Am Mittwoch meldete sich der „Vater, Ehemann, frühere Chairman“ – Ghosn über Ghosn – über Twitter das erste Mal seit seiner Freilassung: Für den 11. April kündigte er ein Pressekonferenz an. „Ich werde die Wahrheit sagen über das, was hier vor sich geht“, versprach er. Doch nun wird er aus dem Gefängnis verfolgen, wie Nissan ihn aus dem Verwaltungsrat befördert.

Für den 8. April hat Nissan zu einer außerordentlichen Aktionärsversammlung geladen, um das Machtsystem des Carlos Ghosn abzuwickeln. Ghosn soll mithilfe seines früheren Vorstandskollegen Greg Kelly von 2010 bis 2018 etwa die Hälfte seiner vereinbarten Bezüge in den Geschäftsberichten verschwiegen haben, rund 73 Millionen Euro. Die Staatsanwälte sehen darin eine Bilanzfälschung.

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Als Veruntreuung wird unter anderem eine absurd anmutende finanzielle Scharade gewertet: Ohne Wissen des Vorstands soll Ghosn Nissan veranlasst haben, Nachschusszahlungen für private Derivategeschäfte zu übernehmen, die er danach wieder auslöste.

Dazu addieren sich Beraterposten für eine Schwester, Wohnungen auf Kosten Nissans und zusätzliche Gehaltszahlungen durch ein Joint Venture zwischen Nissan und Mitsubishi Motors in den Niederlanden.

Vorige Woche warf ein von Nissan berufener Untersuchungsausschuss Ghosn und Kelly schweres Fehlverhalten vor und bescheinigte ihnen „einen Mangel an Ethik als Manager“. Den Kern des Problems sehen die Ausschussmitglieder in der Alleinherrschaft Ghosns. So sei eine Unternehmenskultur geschaffen worden, in der niemand Zielen von oben widersprechen konnte.

In Frankreich ist Ghosns Ruf ebenfalls dahin. Die Wirtschaftszeitung „Les Echos“ veröffentlichte jetzt Auszüge aus einem vorläufigen Bericht der Wirtschaftsprüfer von Mazars. Danach soll Ghosn mit raffinierten Tricks Millionenbeträge beiseitegeschafft haben.

Eine seiner Maschen: Er habe überzogene Rabatt-Erstattungen an einen Händler in Oman zahlen lassen. Von dort seien die Beträge in den Libanon geschleust und für den Kauf einer Luxusjacht genutzt worden. Der frühere Patriarch soll auch mit Millionensummen ein Start-up seines Sohns Anthony finanziert haben.

Kultur des Gehorsams

Gelder, über die Ghosn nach Gutdünken verfügte, sollen aber nicht allein in der Familie geblieben sein. Einen Berater des Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy habe er mit einer Million Euro bedacht, die frühere Justizministerin Rachida Dati mit 600.000 Euro. „Spuren einer Beratertätigkeit für Renault konnte Mazars bislang nicht finden“, schreibt „Les Echos“ sarkastisch.

Am Dienstagnachmittag reagierte Ghosns Familie über eine PR-Gesellschaft: Über Oman sei nie Geld an Ghosn oder seine Angehörigen geflossen. Nach ein paar Minuten wurde das Kommuniqué verblüffenderweise kommentarlos zurückgezogen.

Ghosns Trick war, die Kontrolle über das wichtigste Führungsinstrument zu übernehmen: Geld und Karrierechancen. Er überredete den Vorstand, ihm allein die Entscheidung über seine eigene Besoldung wie die seiner Vorstandskollegen und des erweiterten Topmanagements zu übergeben. Anders als in anderen Konzernen schauten ihm dabei keine Vorstandskomitees auf die Finger.

Selbst als er sich auf den Posten des Verwaltungsratsvorsitzenden zurückzog und seinen Adjutanten Hiroto Saikawa die Geschäfte führen ließ, behielt er die Gehaltsbemessung. Dadurch habe er „bedeutende Befugnisse als faktischer CEO“ gehabt, urteilt der Untersuchungsausschuss. Sein Vertrauter Kelly habe die Personalhoheit über tiefere Führungsetagen ausgeübt. Andere Abteilungen wurden ebenfalls von Vertrauten geführt.

Auch die Überwachungsfunktion des Vorstands hebelte Ghosn aus. Auditoren, die ihm zu viele Fragen stellten, wurden nicht wieder nominiert. Und Vorstandssitzungen endeten oft schon nach 20 Minuten.

Nissans Manager machten mit, Renault-Vertreter im Verwaltungsrat der Japaner und der Rat von Renault selber. Ein Grund für den Gehorsam: Ghosn wurde vergöttert, weil er Nissan vor dem Kollaps rettete und Renaults Marktanteile stärkte. Der andere war prosaischer: die Angst vor dem Rauswurf.

Nissan steckt wieder in der Krise: Im reinen Autogeschäft rangiert die Gewinnmarge derzeit nur bei geschätzt 1,5 Prozent, einer der schlechtesten Werte industrieweit. Die Verwaltungsräte müssen sich fragen, ob sie nur das System Ghosn abwickeln oder auch die Kultur des Gehorsams, die dahinterstand.