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Die neue Unionsharmonie in der Migrationspolitik

Beim Werkstattgespräch debattieren CDU und CSU, wie sich die Schwesterparteien künftig aufstellen wollen. Es zeichnet sich eine Verschärfung des Asylrechts ab.

Die Kanzlerin war allgegenwärtig, aber nirgends aufzufinden. Angela Merkel vermied es auch am zweiten Tag des Werkstattgesprächs von CDU und CSU im Berliner Konrad-Adenauer-Haus teilzunehmen. Weder wollte sie ihre Sicht der Dinge in der Migrationspolitik mit Blick auf das für ihre Partei so traumatische Jahr 2015 erläutern. Noch wollte Merkel darauf Einfluss nehmen, was ihre Partei künftig in der Migrationspolitik zu tun gedenkt.

Merkel arbeitet den Koalitionsvertrag ab. Danach, so hat sie es angekündigt, wird sie sich zurückziehen und anderen die Aufgabe überlassen, die Zukunft zu gestalten.

Die Arbeitsteilung zwischen Merkel und der neuen Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer ist eindeutig: Merkel regiert und betreibt vor allem Außenpolitik, ihre Nachfolgerin als Parteichefin richtet die CDU programmatisch neu aus, um bei den bevorstehenden Wahlen, vor allem aber bei der nächsten Bundestagswahl als stärkste Kraft hervorzugehen und auch ohne Merkel weiter die Regierungschefin zu stellen. Damit dies gelingt, stimmen sich beide hinter den Kulissen eng ab, halten öffentlich aber Distanz.

Der Umgang mit der Flüchtlingskrise habe die Union „an den Abgrund“ geführt, stellte kürzlich die neue Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer fest. Um dieses Trauma aufzuarbeiten, hatten Sonntag und Montag 100 geladene Mitglieder, Wissenschaftler und Praktiker im Adenauer-Haus beraten.

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Kramp-Karrenbauer und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gelobten, künftig nicht mehr zu streiten, sondern gemeinsam Reformen umzusetzen. Herrmann forderte mit Blick auf die Europa- wie auch die vier Landtagswahlen in Bremen, Brandenburg, Sachsen und Thüringen ein Signal für einen starken Staat.

Kramp-Karrenbauer kam dieser Forderung verbal entgegen: „Wir müssen alles daransetzen, dass sich so etwas wie 2015 nicht wiederholt“, sagte CDU Parteichefin. In dem Ergebnispapier eines sogenannten Werkstattgespräches schreibt die Parteiführung: „Wir müssen deutlich machen: Wir haben unsere Lektion gelernt.“ Und: „Wir müssen Humanität und Härte vereinen.“

Mehrere Teilnehmer bezeichneten die Stimmung als „sehr gut“ und die Debatten als „sehr interessant“. „Das Format Werkstatt-Gespräch ist ein ausgezeichnetes“, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bei der Präsentation der Ergebnisse. Es habe sich bewährt und solle auch künftig zur Anwendung kommen.

Kurswechsel vollzogen

Der neuen Unionsharmonie zuträglich war die Tatsache, dass die Partei einen Kurswechsel auch gar nicht mehr ausrufen musste – sie hat ihn längst vollzogen. Das Asylrecht ist seit der Flüchtlingskrise erheblich verschärft, die Zuwanderung begrenzt worden. Im Jahr 2018 wurden 186.000 Asylanträge gestellt – 16 Prozent weniger als 2017. Die Obergrenze von 200.000, auf die sich die Koalition verständigt hatte, wird damit eingehalten.

Damit dies so bleibt, sollen weitere Beschlüsse folgen, einige hat die Regierung schon auf den Weg gebracht, andere wollen die Unionsparteien noch durchsetzen. Für einen besseren Überblick hilft es, die Vorhaben nach vier Problemfeldern zu sortieren.

Erstens geht es um Maßnahmen zur Beschleunigung von Asylverfahren. Zwar werden die Bescheide heute erheblich schneller entschieden, doch von den von der Regierung selbst angestrebten drei Monaten ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch immer weit entfernt. Ein halbes Jahr müssen die Antragsteller im Schnitt warten.

Die Regierung will darum Georgien, Algerien, Marokko und Tunesien künftig als sichere Herkunftsstaaten einstufen. Der Bundestag hat die Reform bereits beschlossen, am Freitag soll der Bundesrat darüber abstimmen. Doch ob sich eine Mehrheit findet, ist unsicher. In Ländern, in denen Grüne oder Linke mitregieren, regt sich Widerstand.

Zusätzlich fordert die Union nach ihren Werkstattgesprächen, den Rechtsweg gegen Asylbescheide einzuschränken. Künftig soll es nur noch eine Revisionsinstanz geben, die Verwaltungsgerichte hätten damit das letzte Wort. „Es muss eine konsequente Trennung zwischen denen, die abgeschoben, und denen, die integriert werden, geben“, sagte Christian Baldauf, Fraktionsvorsitzender in Rheinland-Pfalz, dem Handelsblatt. „Deshalb verkürzen wir die Verfahren.“

Problemfeld Nummer zwei sind die Abschiebungen selbst. Die Union will sie vereinfachen und schlägt gleich mehrere Maßnahmen vor. Wie Baldauf erläutert, soll „die Bundespolizei auch nach gescheiterter Abschiebung zuständig bleiben“.

Damit will die Union „den Fällen entgegenwirken, in denen sich Abzuschiebende gewaltsamen gegen ihre Rückführung wehren“. Zudem soll die Bundespolizei Passersatzpapiere beschaffen und nicht mehr die Landkreise und kreisfreien Städte, die damit in der Praxis Schwierigkeiten haben.

Das dritte Problemfeld betrifft Europa. Die Migration – darin stimmen selbst die schärfsten Kanzlerinnen-Kritiker mit Merkel überein – bedarf einer europäischen Lösung. Die Union spricht sich für eine Stärkung der europäischen Grenzagentur Frontex aus, sie will Hotspots für Asylverfahren an der Grenze einrichten und auf eine Harmonisierung des europäischen Asylrechts hinwirken.

Allerdings ist die Kluft zwischen Gefordertem und Erreichtem nirgendwo so groß wie hier. Ein Durchbruch auf EU-Ebene ist nicht abzusehen.

Bleibt noch ein viertes Problemfeld: die Integration. Etliche Reformen haben es Flüchtlingen und Asylsuchenden erleichtert, Arbeit zu finden. Mittlerweile dürfen Asylbewerber nach drei Monaten einen Job suchen.