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VW-Rechtsvorständin Werner: „Die Kunden haben weder Verluste noch Schäden erlitten“

Der Unterschied in der Wahrnehmung könnte kaum größer sein: Während Richter in Hunderten von Urteilen zum Dieselskandal bei Volkswagen „vorsätzliches Handeln“, „arglistige Täuschung“ und „planmäßige Verschleierung“ feststellten, lässt das Management in Wolfsburg die Vorwürfe im vierten Jahr des Dieselskandals eher an sich abperlen.

Hiltrud Werner, die im Konzernvorstand für Recht und Integrität zuständig ist, sagt im Interview mit dem Handelsblatt: „Nach unserer Auffassung haben die Kunden weder Verluste noch Schäden erlitten.“ Ihr Tenor: Volkswagen gewinne die überwiegende Zahl der Streitfälle.

Fakt ist, dass viele Dieselfahrer unter den sinkenden Preisen für gebrauchte Dieselfahrzeuge leiden. Wegen überhöhter Abgaswerte haben mehrere deutsche Städte Fahrverbote ausgesprochen. Millionenfach musste der größte deutsche Automobilhersteller seine Fahrzeuge zurückrufen.

Mehr als 400.000 VW-Kunden haben sich mittlerweile einer Musterfeststellungsklage gegen das Unternehmen angeschlossen. Auch deshalb, sagt Hiltrud Werner, wird 2019 „das schwierigste Jahr überhaupt“ für ihren Konzern. An der Weigerung, einen Schaden anzuerkennen, hält sie aber fest. Die Fahrzeuge seien „sicher und fahrbereit“.

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Als Werner vor zwei Jahren ihren Job in Wolfsburg antrat, klang sie noch anders: „Wir müssen die alte VW-Überheblichkeit zurücknehmen. Wir müssen die Hosen runterlassen und dürfen nichts beschönigen.“ Den Konzern jedenfalls kostete der Skandal bereits 28 Milliarden Euro.

Allein für die Anwälte gab VW laut Werner einen hohen dreistelligen Millionenbetrag aus. 80 ehemalige und aktive VW-Mitarbeiter werden im Zuge der Affäre diverser Straftaten beschuldigt. Die Zahl der Compliance-Mitarbeiter sei auf 1.300 gestiegen.

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Vor zwei Jahren, als Hiltrud Werner bei VW den Vorstandsposten für Recht und Integrität übernahm, plädierte sie für Offenheit. Sie selbst ist kaum noch greifbar. Einen Gesprächstermin im November sagte ein Konzernsprecher kurzfristig für sie ab. Danach stand sie mehr als zwei Monate auch für ein Telefongespräch nicht zur Verfügung. Fragen beantwortete Werner nur schriftlich – auch die folgenden.

Frau Werner, Sie bezeichneten kürzlich 2019 als „das schwierigste Jahr überhaupt“ für Ihren Konzern. Was bringt Sie zu der Annahme?
Der Vergleich mit anderen größeren juristischen Wirtschaftsverfahren zeigt, dass sich diese oft über viele Jahre hinziehen. Dies gilt vor allem für kapitalmarktrechtliche Verfahren. Deshalb rechnen wir vor allem bei den in Deutschland anhängigen gerichtlichen Auseinandersetzungen mit einem für unsere Juristen und die von uns mandatierten Kanzleien arbeitsreichen Jahr.

Dieselfahrer fühlen sich von Volkswagen betrogen. Was sagen Sie diesen Kunden?
Wir bedauern die Unannehmlichkeiten, die vielen Kunden entstanden sind, sehr. Aber für Kundenklagen gibt es aus unserer Sicht keine Rechtsgrundlage. Diese Einschätzung wird durch die überwiegende Anzahl von Gerichtsentscheidungen von Land- und Oberlandesgerichten in ganz Deutschland gestützt. Nach unserer Auffassung haben die Kunden weder Verluste noch Schäden erlitten. Die Fahrzeuge sind sicher und fahrbereit.

Es ist also kein Verlust oder Schaden, wenn manipulierte Autos massiv an Wert eingebüßt haben?
Es gibt keinen Rückgang der Restwerte im Zusammenhang mit der Umschaltlogik oder der Umsetzung der technischen Maßnahmen. Die Restwerte der betroffenen Fahrzeuge entwickelten sich nach September 2015 über zwei Jahre hinweg stabil. Dies haben viele gerichtlich bestellte Sachverständige und auch unabhängige Dienstleister wie DAT oder Schwacke bestätigt. Aus mehreren Gründen gibt es eine grundsätzliche Unsicherheit über die Entwicklung der Restwerte für alle Fahrzeuge mit Dieselmotoren, unter anderem durch die Diskussion über Fahrverbote in deutschen Städten.

Immer mehr Gerichte verurteilen VW wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung. Anwälte berichten, der Konzern knicke spätestens vor Oberlandesgerichten ein und schließe außergerichtliche Vergleiche, um wegweisende Urteile zu verhindern.
Dies ist nicht richtig. Weiter weist die Mehrzahl der Gerichte Klagen ab. Die Oberlandesgerichte haben Klagen sogar bisher ausnahmslos abgewiesen. Es ist falsch anzunehmen, dass Volkswagen oder Fahrzeughändler in allen Fällen, in denen sie sich mit ihren Kunden vergleichen, andernfalls vor Gericht verlieren würden.

Sie haben vergessen, dass das OLG Köln als erstes deutsches Oberlandesgericht einen Autohändler zur Rücknahme eines manipulierten Fahrzeugs verpflichtete. Wie viele der mehr als 10.000 Klagen wurden denn insgesamt abgewiesen?
Das OLG Köln hat hier einen sogenannten Zurückweisungsbeschluss getroffen, kein Urteil. Es gibt zahlreiche Zurückweisungsbeschlüsse von Oberlandesgerichten, die Mehrheit hiervon ebenfalls zugunsten von Volkswagen beziehungsweise der Händler. Die überwiegende Zahl der Verfahren vor Landgerichten ist zugunsten von Volkswagen entschieden worden.

Auch die Aktionäre fühlen sich hintergangen. Wie reagieren Sie auf deren Vorwürfe?
Die klagenden Anleger sind zum überwiegenden Teil institutionelle Investoren aus dem In- und Ausland, die zum Teil mit fragwürdigen und anerkanntermaßen unzulässigen juristischen Argumenten versuchen, angebliche Ansprüche gegen Volkswagen geltend zu machen. Es ist Aufgabe des Vorstands, das Unternehmen im Interesse seiner Aktionäre, aber auch im Interesse seiner Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und der Allgemeinheit vor jeder unberechtigten Inanspruchnahme zu schützen.

Am Anfang stellte Volkswagen die Straftaten als Vergehen einiger weniger Mitarbeiter dar. Dies ist so nicht mehr haltbar, oder? Aus dem Konzern stehen mehr als 80 Personen auf den Beschuldigtenlisten der Staatsanwälte.
Volkswagen weiß aus den öffentlich bekannten Informationen im Zusammenhang mit den laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaften in Braunschweig, München und Stuttgart, dass es sich um einen vergleichsweise kleinen Personenkreis von Beschuldigten handelt, wenn man diesen in Relation zur Mitarbeiterzahl der technischen Entwicklung setzt.

Wie viele Mitarbeiter hat VW aufgrund ihrer Rolle im Dieselskandal bisher entlassen, wie viele freigestellt?
Wir haben uns von Beschäftigten getrennt sowie andere arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnungen ergriffen. Das haben wir angekündigt, und das setzen wir nun um.

Warum tun Sie sich so schwer, eine konkrete Zahl zu benennen, wie viele Mitarbeiter von Volkswagen bis dato entlassen oder freigestellt wurden?
Aus unserer Sicht gibt eine Zahl von Personen, gegen die arbeitsrechtliche Maßnahmen eingeleitet wurden oder werden, keinen Aufschluss über die Fortschritte der internen oder externen Aufklärungsarbeit.

Wie hoch sind die Kosten für die Aufarbeitung durch externe Rechtsberater bisher? Und wie viel hat der Skandal Volkswagen an Strafen und Bußgeldern weltweit insgesamt gekostet?
Insgesamt musste Volkswagen im Rahmen des Diesel-Themenkomplexes Belastungen von rund 28 Milliarden Euro berücksichtigen. Die Kosten für die juristischen Beratungsleistungen sowie die juristische Aufarbeitung in diesem Kontext belaufen sich inzwischen auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag.

Und was haben Sie in der Compliance-Organisation konkret verändert, damit ein solcher Skandal nicht mehr entsteht?
Wir haben die Zahl unserer Mitarbeiter in den letzten drei Jahren allein in der Konzernzentrale fast verdreifacht und die Struktur so angepasst, dass die Unabhängigkeit der Compliance-Officer auf der Ebene der Geschäftsbereiche und Regionen gestärkt wird. Gleiches gilt für die Marken und Tochterfirmen. Außerdem wurde das Risiko-Management-System verbessert: Die vierteljährliche Berichterstattung gegenüber dem Konzernvorstand wurde inhaltlich überarbeitet. Und auch das Hinweisgeber-System wurde optimiert, eine 24/7-Hotline in den wichtigsten Sprachen sowie verschiedene – auch anonym zu erreichende – schriftliche, elektronische und mündliche Meldewege wurden geschaffen. Dies geht einher mit einem verbesserten Schutz für Hinweisgeber.

An welchen weiteren Stellschrauben haben Sie angesetzt, als Sie Ihre Aufgabe übernommen haben, und wie weit sind Sie bisher gekommen?
Eine neue, erstmals konzernweit gültige Unternehmens- und Führungskultur, definiert im Code of Conduct, wurde entwickelt und ist für alle rund 650.000 Belegschaftsangehörigen verbindlich. Dazu kommen eine Kulturinitiative, die Hierarchien abbauen und offene Kommunikation fördern soll, neue Regeln für die Auswahl und Qualifikation von Managementnachwuchs und ein neues Führungskräfteleitbild. Im April 2018 hat der Konzernvorstand ein ganzheitliches Integritäts-, Compliance- und Kulturprogramm unter dem Titel Together4Integrity beschlossen.