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Regierungsrabatt, Massagesitze, Privat-Chauffeur: Geheime Unterlagen offenbaren die brisanten Dienstwagen-Deals von ARD-Chefin Schlesinger

ARD-Chefin Patricia Schlesinger. - Copyright: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen
ARD-Chefin Patricia Schlesinger. - Copyright: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen

Die Daten ihrer Krönung ließ Patricia Schlesinger auf das Kennzeichen ihres Dienstwagens stanzen. 716, im Juli 2016 setzte sich die ehemalige Moderatorin des Politmagazins "Panorama" im sechsten Wahlgang gegen die Konkurrenz durch und regiert seither den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Mittlerweile führt die profilierte Journalistin gar den Kreis der zehn mächtigen ARD-Intendanten an.

Als derzeit wichtigste Lobbyistin des gebührenfinanzierten Senderverbunds ist Schlesinger offenbar ziemlich viel unterwegs. Bis zu 80 Stunden arbeite die ARD-Vorsitzende pro Woche, sagt ihr Sprecher. Mit diesem Pensum und den weiten Strecken rechtfertigt der RBB auch die beiden persönlichen Chauffeure, die Schlesinger in einer Audi-Limousine auf Abruf durch die Hauptstadt und die ganze Republik fahren. In dem geräumigen A8 lässt sich die Intendantin des kleinen und finanzschwachen RBB aber nicht nur staatsmännisch vorfahren - die Medienmanagerin nahm für ihren Dienstwagen sogar den unschlagbaren "Regierungspreis" des Herstellers in Anspruch. Nur sollte der Rabatt von fast 70 Prozent eigentlich geheim bleiben.

Die Enthüllungen von Business Insider sind ein neues Kapitel in einer Filz- und Spesen-Affäre, die dem RBB trotz der schwächsten Quote aller Dritten Programme seit Ende Juni die meiste Aufmerksamkeit beschert. Im Kern geht es um mutmaßliche Gefälligkeiten, die sich die RBB-Intendantin und der RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf zwischen 2019 und 2022 erwiesen haben sollen. Interne E-Mails legen zudem nahe, dass Schlesinger exklusive Abendessen mit Catering-Service in ihrer Privatwohnung dienstlich, aber unsauber abgerechnet hat. Schlesinger und Wolf bestreiten ein Fehlverhalten, vermochten die Vorwürfe aber bislang nicht auszuräumen.

Mondscheinblauer Audi A8 mit 435 PS im Gesamtwert von 145.830 Euro

Vertrauliche Dokumente, die Business Insider einsehen konnte, zeigen nun, wie die RBB-Intendantin von fragwürdigen Dienstwagen-Privilegien profitiert hat. Dabei reizte Schlesinger bestehende Regeln nicht nur aus – sondern verletzte sie womöglich auch. So kollidiert augenscheinlich die Annahme von extremen Sonderkonditionen zu Werbezwecken eines Autoherstellers mit einer internen Dienstanweisung des RBB.

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Nach einigen Monaten im Amt gab die RBB-Intendantin im Frühjahr 2017 die erste Bestellung für einen Dienstwagen in Auftrag. Kurz darauf schickte die Audi AG das "Orientierungsangebot Nr. 1670609" für einen mondscheinblauen A8 mit 435 PS und samtbeigen Innenraum. Als Extras boten die Ingolstädter u.a. "Akustikglas" und belüftete Sitze mit "Massage-Funktion" an. Inklusive der Sonderausstattung von 40.340 Euro hatte das Fahrzeug einen Gesamtwert von 145.830 Euro.

Die Brisanz der hohen Summe dürfte Schlesinger klar gewesen sein: Nur kurze Zeit zuvor stand ihr Kollege vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) wegen seines teuren Dienstwagens öffentlich am Pranger. Damals erklärte Tom Buhrow, dass er den Audi A8 im Wert von mehr als 100.000 Euro als rollendes Büro benötige und der Sender dafür eine monatliche Rate im "vierstelligen Bereich" – also mehr als 1000 Euro – bezahle.

Auch der RBB-Audi wäre unter normalen Umständen mit monatlichen Kosten von knapp 1500 Euro verbunden gewesen. Solche finanziellen Konditionen für das Dienstfahrzeug von Schlesinger hätte das Budget des viel kleineren RBB wohl nicht zugelassen. Laut vertraulichen Akten zeigte Audi damals aber einen Weg auf, wie die Medienmanagerin dennoch in den Genuss eines bequemen A8 kommen könnte – und bot einen Sonderrabatt für die Mietdauer von zwölf Monaten an. "Sie erhalten, unter Zugrundelegung der Bedingungen des Audi Mietvertrages für Behörden, folgendes Mietangebot", heißt es in einem Schreiben an den RBB vom 5. April 2017. Demnach gewährte der deutsche Hersteller der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt einen "Regierungspreis" in Höhe von monatlich 486,65 Euro – reduzierte die Miete nach Rücksprache sogar noch einmal auf 457,21 Euro.

Stillschweigeklausel zum Sonderrabatt von fast 70 Prozent

Der RBB nahm den Nachlass von fast 70 Prozent an – und unterschrieb dafür eine Verpflichtungserklärung. Darin heißt es: "Der Mieter versichert, dass das für Frau Patricia Schlesinger bestellte Fahrzeug zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der regelmäßigen Dienstaufgaben benötigt und eingesetzt wird. Der Mieter verpflichtet sich, stillschweigen gegenüber Dritten, bezüglich der ihm eingeräumten Preise/Lieferbedingungen zu bewahren. Bei Missachtung dieser Klausel behält sich die Vermieterin vor, den Mieter zukünftig nicht mehr zu den gewährten Vorzugskonditionen zu beliefern bzw. den Vertrag zu kündigen."

Tatsächlich bieten Audi, BMW und Mercedes-Benz sogenannte "Behördenkonditionen" an, um im Gegenzug einen Marketingeffekt zu erzielen. "Die Vorzugspreise für die Fahrzeuge von Frau Schlesinger wurden aufgrund des Werbewerts ihrer Präsenz in Kunst und Kulturkreisen gewährt", erklärt ein Audi-Manager. Die Intendantin eines Medienunternehmens als Markenbotschafterin eines Autoherstellers? Der RBB will davon nichts wissen. "Wir sind froh, dass wir den Dienstwagen der Intendantin, der in Wirklichkeit ihr zweites Büro ist, auf diese Weise vergleichsweise günstig finanzieren können", heißt es in einem Statement. Aus Sicht des Senders sei bei den Bestellungen alles korrekt gelaufen, es handele sich auch um keine "Vorzugsbehandlung", sondern um einen "branchenüblichen Firmenrabatt".

Dass der Sprecher von Schlesinger diese Unterscheidung betont, hat seine Gründe. Laut "Dienstanweisung über das Verbot der Annahme und Gewährung von Zuwendungen" aus dem Jahr 2014 steht der RBB in einer besonderen Verantwortung. "Sein Status und sein Auftrag sind unvereinbar auch nur mit dem Verdacht einer Einflussnahme auf seine Tätigkeit", heißt es dort. "Die Mitarbeiter des RBB dürfen unentgeltliche Zuwendungen, die ihnen in Bezug auf ihre Tätigkeit beim RBB angeboten werden, grundsätzlich nicht annehmen." Dabei sei es unerheblich, ob der Vorteil dem Mitarbeiter nur mittelbar zugute kommt. Erlaubt seien lediglich "übliche Vergünstigungen" und "Firmenrabatte", die allen Mitarbeitern des RBB gewährt werden sowie geringwertige Vorteile bis zu einem Einzelwert von 40 Euro.

Im Fall von Schlesinger lässt sich dagegen festhalten, dass der "Regierungspreis" eben nur für den Dienstwagen der Intendantin angeboten wurde. "Für die Fahrzeugkategorien, die wir im RBB-Fuhrpark einsetzen", stand der Behördenrabatt "nicht zur Verfügung", bestätigt ein Sprecher.

Wer hat den brisanten Deal mit Audi genehmigt? Dazu schweigt der RBB

Tatsächlich nutzen dem Vernehmen nach auch andere ARD-Anstalten sogenannte Behördenkonditionen für Intendanten-Autos. Laut Südwestrundfunk (SWR) bewegen sich die Nachlässe aber auf "deutlich weniger" als 70 Prozent. Selbst Audi wies den RBB im Zuge des bemerkenswerten Mietgeschäfts auf mögliche Compliance-Probleme hin. So schrieb der Hersteller damals: "Um Interessenkonflikte für Sie und unser Haus zu vermeiden, müssen wir das Angebot davon abhängig machen, dass Ihr Dienstvorgesetzter oder die hierfür zuständige Stelle in Ihrem Haus das Angebot genehmigt. Entsprechend gehen wir davon aus, dass Ihnen bei Annahme unseres Angebots die Genehmigung (...) vorliegt." War dem so? Hat Schlesinger die Behörden-Deals für ihren Dienstwagen dem Verwaltungsrat zur Genehmigung vorgelegt? Auch auf mehrmalige Nachfrage ließ der RBB-Sprecher diese Frage unbeantwortet.

Ohne die Rabatte hätte Schlesinger wohl nur mit privaten Zuschüssen aus eigener Tasche die luxuriösen Dienstwagen von Audi und BMW in den vergangenen fünf Jahren beim RBB rechtfertigen können. Massagesitze habe sie aber selbstverständlich nie selbst bestellt, sagt ihr Sprecher. Auf ein anderes Sonderprivileg legte Schlesinger dagegen größten Wert: Wie aus einer vertraulichen Vereinbarung zwischen ihr und dem öffentlich-rechtlichen Sender hervorgeht, steht ihre Limousine mit Fahrer nicht nur für die dienstliche Nutzung zur Verfügung – die Intendantin darf ihre Chauffeure sogar für private Zwecke einsetzen. Pikant: Bei WDR, SWR, MDR und Co. sind Privat-Fahrten mit Fahrer nach einer Umfrage von Business Insider nicht gestattet.

Anhand von Aufzeichnungen und Aussagen mehrerer Ex-Mitarbeiter können wir den teils fragwürdigen Gebrauch dieses Sonderrechts nachzeichnen. Demnach beklagte sich der erste persönliche Fahrer der Intendantin bei damaligen Kollegen über regelmäßige Privateinsätze. Neben der Routine die Intendantin morgens an ihrer Berliner Wohnung abzuholen und abends wieder nach Hause zu chauffieren, hätte der feste Mitarbeiter Erledigungen für den täglich Bedarf leisten müssen. Da Schlesinger den geldwerten Vorteil ihrer exklusiven Dienstwagen samt Privatchauffeur zunächst nicht pauschal versteuerte, sondern nur die tatsächlich privat gefahrenen Kilometer, musste jede Fahrt in einem Fahrtenbuch festgehalten werden.

Persönlicher Fahrer der Intendantin soll Ehemann und Freunde chauffiert haben

Mitte 2019 verließ der erste persönliche Fahrer von Schlesinger den RBB. Wie mit dem Vorgang vertraute Personen berichten, war das Verhältnis zu der Intendantin zuletzt belastet. Der Chauffeur einigte sich mit dem RBB aber auf eine Trennungsvereinbarung. Auf Anfrage wollte sich der Sender zu dem Vorgang nicht äußern.

Doch auch die Arbeitszeit des neuen Fahrers nutzte Schlesinger regelmäßig für private Zwecke. Nach Recherchen von Business Insider schickte sie an einem Aprilabend 2021 ihren Chauffeur los, um ihren Ehemann zur RBB-Zentrale zu bringen. Ein bekannter Journalist war mit seiner Ehefrau zu Besuch, ein Catering-Service brachte ein paar Köstlichkeiten und die beiden Pärchen speisten schließlich in den Räumlichkeiten des RBB.

Wir konfrontierten den öffentlich-rechtlichen Sender detailliert mit den recherchierten Vorgängen. Haben persönliche Fahrer der Intendantin ihre Wäsche aus der Reinigung abgeholt, haben sie Schlesingers Ehemann für Abendessen in der RBB-Zentrale abgeholt, haben sie Freunde und Bekannte der Medienmanagerin durch die Republik kutschiert oder Transportfahrten durchgeführt? Die Antwort: "Die private Nutzung des Wagens durch die Intendantin bleibt privat, entsprechend geben wir dazu keine Auskunft. Allerdings: Weihnachtsbaumtransporte und Umzüge waren nicht dabei."

Zu den handschriftlichen und elektronischen Fahrtenbüchern sagt der RBB lediglich, dass sie in der Intendanz gelagert werden – die pauschale Versteuerung sei nun aber das "angemessenere Modell" für Frau Schlesinger.