Der Mord an Frauke Liebs: Das geschah am 20.06.2006

Bis heute ist nicht aufgeklärt, was genau an jenem Abend geschah, an dem Frauke Liebs verschwand. Dies sind die bekannten Fakten.

Zum Zeitpunkt ihrer Ermordung war Frauke Liebs erst 21 Jahre alt. (Bild: privat)
Zum Zeitpunkt ihrer Ermordung war Frauke Liebs erst 21 Jahre alt. (Bild: privat)

Die Entführung und Ermordung von Frauke Liebs im Sommer 2006 bewegt die Menschen, wie kaum ein anderer Cold Case in Deutschland. Familie und Freunde hoffen auch 16 Jahre danach noch auf Hinweise aus der Bevölkerung von Augenzeugen, die zu einer Aufklärung des Falles beitragen können. Dafür wurde eigens eine Website unter www.frauke-liebs.de eingerichtet, an die sich Zeugen wenden können. Zum Mord an Frauke Liebs wurde bereits in Fernsehsendungen und Podcasts nach Hinweisen gesucht und auch in zahlreiche Richtungen spekuliert. Dieser Artikel orientiert sich an den sicher bekannten Fakten am Tag des Verschwindens und dem Zeitraum bis zu ihrer Ermordung.

Das WM-Spiel im Pub

Frauke Liebs war eine offene und lebenslustige Frau, so wird sie von Freunden und Familie beschrieben. Die damals 21-Jährige absolvierte im Sommer 2006 ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin im St. Vincenz Krankenhaus in Paderborn. Dafür zog sie aus ihrem Heimatort Lübbecke nach Paderborn. An jenem 20. Juni ist Frauke zunächst mit ihrer Mutter Ingrid Liebs und ihrem Mitbewohner Chris K. in einem Restaurant zum Abendessen verabredet. Mit ihrem Ex-Freund Chris verbindet sie ein Jahr nach der Trennung eine enge Freundschaft, beide wohnen auch weiterhin als Zweier-WG zusammen. Nach dem Essen will Frauke noch nicht nach Hause, sondern noch das WM-Spiel England gegen Schweden anschauen. Chris und ihre Mutter setzen sie gegen kurz vor 21:00 Uhr in der Nähe des Pubs "The Auld Triangle" ab, in dem sie ihre Freundin Isabella treffen will. Da Chris seinen Schlüssel vergessen hat, leiht Frauke ihm ihren und er verspricht, wach zu bleiben und sie später in die gemeinsame Wohnung einzulassen.

Die beiden Freundinnen haben vorher verabredet, sich in rot und weiß zu kleiden, um so das englische Team zu unterstützen. Frauke Liebs trägt blaue Jeans, ein rotes Oberteil und weiße Sneaker. Der Irish Pub ist eine bei Studenten und Soldaten der nahegelegenen britischen Kaserne beliebte Kneipe in der Libori Galerie in der Paderborner Innenstadt. Wegen der Übertragung der WM-Spiele ist er an diesem Abend besonders gut gefüllt. Zuvor war dort das 3:0 der DFB-Elf gegen Ecuador gezeigt worden. Vermutlich befinden sich auch viele britische Soldat*innen unter den Besuchern, die das Spiel ihrer Mannschaft sehen wollen. Während Frauke das Spiel mit ihrer Freundin gemeinsam in dem Pub verfolgt, schreibt sie mehrere SMS an einen neuen Bekannten. Als dadurch der Akku ihres Handys leer ist, leiht sie sich Isabellas, die das gleiche Nokia-Handy besitzt. Vor dem Verlassen des Pubs gibt sie ihr den Akku allerdings wieder zurück.

Der Heimweg

Nach dem Spiel, es ist etwa 23:00 Uhr, verabschiedet sich Frauke und verlässt alleine das "Auld Triangle", um sich auf den Heimweg zu machen. Bis zu ihrer Wohnung in der Borchener Straße 56 sind es etwa 1,2 Kilometer. Es gibt verschiedene Routen durch die Paderborner Innenstadt, die sie genommen haben könnte. Auf dem Weg muss sie ihrem Entführer begegnet sein, denn sie kommt nie zuhause an. Ihre Freundin gab an, dass sie nur noch fünf Euro bei sich gehabt habe, weshalb sie vermutlich zu Fuß gegangen sei. Über den Weg gibt es keine verlässlichen Zeugenaussagen, niemand kann sich erinnern, Frauke in dieser Nacht gesehen zu haben.

Diese möglichen Wege könnte Frauke Liebs zwischen dem Pub und ihrer Wohnung genommen haben.
Diese möglichen Wege könnte Frauke Liebs zwischen dem Pub und ihrer Wohnung genommen haben. (Grafik: Martin Lukas / Yahoo)

Um 0:49 Uhr am 21.6. erreicht ihren Mitbewohner Chris eine SMS. Der Inhalt klingt nicht beunruhigend: "Komme später. Das Spiel war lustig nicht gegen England Hdgdl bis später." In der SMS bezieht sich Frauke sogar auf ein vorheriges Gespräch mit Chris, in dem sich die beiden darüber unterhalten hatten, dass sie auf einen anderen Gegner als England für die deutsche Nationalmannschaft hofften. Auch im Tonfall klingt die Textnachricht nach Frauke, wird Chris später aussagen.

Die erste SMS klingt noch ganz nach Frauke, doch schon im ersten Anruf nennt sie ihren Freund Chris ungewohnterweise bei seinem vollen Namen.
Die erste SMS klingt noch ganz nach Frauke, doch schon im ersten Anruf nennt sie ihren Freund Chris ungewohnterweise bei seinem vollen Namen. (Grafik: Martin Lukas / Yahoo)

Die Polizei konnte im Nachhinein anhand der Funkmasten-Daten ermitteln, dass diese erste SMS aus dem Funkgebiet Nieheim-Entrup versendet wurde, dies befindet sich fast 30 Kilometer vom Zentrum Paderborns entfernt. Familie und Polizei gehen davon aus, dass sich Frauke spätestens nach dem Versenden dieser SMS nicht mehr freiwillig an diesem Ort aufhielt. Am nächsten Tag meldet ihre Mutter sie bei der Polizei als vermisst, nachdem sie weder zuhause noch in der Krankenpflegeschule aufgetaucht ist.

Anrufe aus Industriegebieten

In den folgenden sieben Tagen nimmt Frauke mehrfach Kontakt mit ihren Angehörigen auf. Die täglichen Anrufe kommen zumeist zwischen 22:00 und 23:00 aus verschiedenen Industriegebieten rund um Paderborn (siehe Karte). Auch dies konnte die Polizei anhand der Funkmasten ermitteln. Eine genaue Auflistung der Telefonate findet sich auch auf der Website der Familie. Die unterschiedlichen Orte führten zu der Vermutung, dass der oder die Entführer Frauke während der Telefonate nachts in einem Auto durch die Industriegebiete fuhren.

Auf dieser Karte sind die Funkzellen rund um Paderborn zu sehen, von denen aus Fraukes Handy eingeloggt war.
Auf dieser Karte sind die Funkzellen rund um Paderborn zu sehen, von denen aus Fraukes Handy eingeloggt war. (Grafik: Martin Lukas / Yahoo)

Der letzte Anruf

Lediglich am Samstag, dem 24.06., meldet sich Frauke bereits nachmittags, um 14:22 Uhr. Der letzte Anruf erfolgt dann am 27.06., eine Woche nach ihrem Verschwinden, aus dem Stadtteil Benhauser-Feld. In vorherigen Gesprächen hatte sie mehrfach angekündigt, sie käme bald nach Hause. In diesem letzten Telefonat, bei dem Chris und Fraukes Schwester Karen anwesend waren, bestätigte Frauke nun, dass sie gegen ihren Willen festgehalten werde.

Im letzten Telefonat bestätigt Frauke, dass sie gegen ihren Willen festgehalten wird.
Im letzten Telefonat bestätigt Frauke, dass sie gegen ihren Willen festgehalten wird. (Grafik: Martin Lukas / Yahoo)

In dem Telefonat fällt auch der Satz, sie könne nicht nach Hause kommen, sie "lebe noch". Er sollte sich auf grausame Art und Weise bestätigen. Denn nach diesem Anruf bricht jeder Kontakt ab.

Ausschnitt aus dem letzten Anruf von Frauke nach Gedächtnisprotokollen von Chris und ihrer Schwester.
Ausschnitt aus dem letzten Anruf von Frauke nach Gedächtnisprotokollen von Chris und ihrer Schwester. (Grafik: Martin Lukas / Yahoo)

Der Fundort im "Totengrund"

Vermutlich wurde Frauke Liebs an diesem 27. Juni oder kurz danach ermordet. Erst im darauf folgenden Oktober findet ein Hobbyjäger die Leiche der jungen Frau in einem Waldstück in Lichtenau. Am 4.10.2006 entdeckt er den Leichnam an der L817 zwischen Herbram-Wald und Asseln in einem Waldstück, das den Namen „Totengrund“ trägt. Die Kleidung ist immer noch die selbe wie am 20. Juni. Es fehlen ein graues Nokia 6230 Mobiltelefon, eine silberne Armbanduhr, eine schwarze Handtasche und die EC- und Gesundheitskarte.

In diesem Waldstück an der L817 wurde Frauke Liebs gefunden.
In diesem Waldstück an der L817 wurde Frauke Liebs gefunden. (Grafik: Martin Lukas / Yahoo)

Die Familie und die Polizei bitten um Hinweise zu diesen Gegenständen und von Augenzeugen, die Frauke am Abend ihres Verschwindens gesehen haben könnten. Auch auffälliges Verhalten von Fahrzeugen im Paderborner Umfeld, insbesondere spätabends in Industriegebieten zwischen dem 20.06. und 27.06.2006 könnte zur Aufklärung des Falles beitragen. Als Belohnung für Hinweise, die zu einer Überführung des Täters beitragen, sind 30.000 Euro ausgesetzt.

Sachdienliche Hinweise an das Polizeipräsidium Bielefeld: 0521/545-0 e-mail: Poststelle.Bielefeld@polizei.nrw.de oder an Fraukes Mutter Ingrid Liebs: www.frauke-liebs.de.

Für Hinweise, die zur Ergreifung und zur rechtskräftigen Verurteilung des Täters führen, ist eine Belohnung von insgesamt 30.000€ ausgesetzt. Sämtliche Hinweise können auf Wunsch vertraulich angenommen werden, Sie können anonym bleiben. Jede Beobachtung kann wichtig sein.