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Faktencheck: Daten für 2020 deuten auf Übersterblichkeit in Deutschland hin

Bestatter verschließen im Dezember im sächsischen Annaberg-Buchholz den Sarg eines Corona-Toten (Bild: Alexander Koerner/Getty Images)
Bestatter verschließen im Dezember im sächsischen Annaberg-Buchholz den Sarg eines Corona-Toten (Bild: Alexander Koerner/Getty Images)

Auch Monate nach Ausbruch des Coronavirus bezweifeln einige Internet-Nutzer, dass es überhaupt eine Pandemie gibt bzw. relativieren sie. Derzeit wird etwa in einem Facebook-Beitrag (hier archiviert) behauptet, dass es in Deutschland im Jahr 2020 eine Untersterblichkeit gab.

2020 sollen 904.270 Menschen gestorben sein und damit weniger als jeweils in den fünf Jahren davor. “Wie kann es sein das bei einer Pandemie in Deutschland gesamt weniger Menschen sterben als vorher?”, heißt es in dem Beitrag. Als Quelle führt der User das Statistische Bundesamt an. Der angegebene Link führt aber ins Leere.

Bewertung: Einige der Zahlen und die genannten Behauptungen sind falsch. Vorläufige Daten deuten auf eine Übersterblichkeit hin - vor allem wegen der Corona-Pandemie.

Fakten: Bis zum 31. Dezember 2020 starben in Deutschland mehr als 33.000 Menschen, bei denen ein laborbestätigter Nachweis von Sars-CoV-2 vorlag und die in Bezug auf diese Infektion verstorben sind, wie aus den Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Wie sich dies auf die nationale Sterbefallstatistik insgesamt auswirkt, hat das Statistische Bundesamt zuletzt in mehreren Sonderauswertungen dargelegt - eine erschien am 18. Dezember (mit einer Analyse aller Sterbefälle bis 22. November), eine am 30. Dezember 2020 (Sterbefälle bis 30. November) und eine am 8. Januar 2021 (Sterbefälle bis 13. Dezember 2020). Abschließende Aussagen über das Gesamtjahr 2020 traf das Statistikamt bis dato (14. Januar 2021) noch nicht.

Die vorläufigen Daten widersprechen aber deutlich den in sozialen Netzwerken verbreiteten Angaben. So zeigte sich etwa, dass bis zur 50. Kalenderwoche 921.989 Menschen in Deutschland starben (Stand 8. Januar 2021). Und obwohl bis zu diesem Zeitpunkt noch zweieinhalb Wochen fehlen, bis das Jahr vollständig ist, ist die Zahl bereits höher als jene, die der Facebook-User fälschlicherweise für das gesamte Jahr 2020 angab.

Erstmals kein Bevölkerungswachstum seit 2011

Am 12. Januar 2021 teilte das Amt in einer Pressemitteilung zudem mit, dass aufgrund einer geringeren Nettozuwanderung und einer gestiegenen Sterbefallzahl bei voraussichtlich etwas weniger Geburten als im Vorjahr, die Bevölkerungszahl 2020 erstmals seit 2011 nicht zugenommen habe. Die Zahl der Sterbefälle sei spürbar gestiegen. Einer ersten Schätzung zufolge werde mit insgesamt mindestens 980.000 Gestorbenen gerechnet. Der Anstieg hängt offenbar auch mit der Corona-Pandemie zusammen, bestätigte das Statistische Bundesamt.

Der geschätzte Wert von mindestens 980.000 Gestorbenen in Deutschland übersteigt damit das Niveau des Vorjahres von knapp 940.000 Gestorbenen - und liegt nicht wie behauptet darunter. Der Wert ist auch höher als in den Jahren 2015 bis 2019.

Im Beitrag wird außerdem nicht nur für das Jahr 2020 eine falsche Zahl angegeben, sondern auch für die Jahre 2016 und 2017, wie sich in diesem Datensatz des Statistischen Bundesamtes (Seite 28) nachlesen lässt.

Erhöhte Sterbefallzahlen während Corona-Wellen

Auch bei detailgenauer Betrachtung der Sterbezahlen der vergangenen Monate zeigt sich, dass es während der Corona-Pandemie nicht zu einer Unter-, sondern Übersterblichkeit kam. So gab es etwa von Kalenderwoche 13 bis 18 (23. März bis 3. Mai), also während der ersten Welle, durchgehend und auch deutlich erhöhte Sterbefallzahlen verglichen mit den Vorjahren.

In der 15. Kalenderwoche (6. bis 12. April) gab es eine Abweichung mit 14 Prozent über dem vierjährigen Mittel. Die Zahl der Covid-19-Todesfälle erreichte in dieser Woche ihren damaligen Höchststand.

Auch seit Mitte Oktober, also mit Anschwellen der zweiten Welle, liegt die Zahl der Sterbefälle wieder deutlich über jener der Vorjahre. Auch in Kalenderwoche 48 (23. bis 29. November) war die Zahl der Sterbefälle etwa um 14 Prozent höher als in den Vorjahren. In der 50. Kalenderwoche lagen die Sterbefallzahlen laut dem Statistischen Bundesamt sogar etwa 23 Prozent über dem Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019.

Im besonders vom Coronavirus betroffenen Bundesland Sachsen nimmt laut der Statistik die Differenz der Sterbefallzahlen zum Durchschnitt der vier Vorjahre seit Oktober von Woche zu Woche deutlich zu. In der 50. Kalenderwoche lag die Zahl der Sterbefälle laut Statistik 88 Prozent beziehungsweise 970 Fälle über dem Durchschnitt. Auch in Brandenburg und Thüringen ist die Lage den Daten zufolge alarmierend.

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