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"Jetzt gibt's gleich was auf die Fresse": Der "Voice"-Streit zwischen Rock und Pop eskaliert

Zur Stunde kuriert er eine Corona-Infektion aus, aber bei diesen Blind Auditions von "The Voice of Germany" war Coach Samu Haber noch voller Energie und streitlustig wie eh und je. Mit Co-Juror Rea Garvey ging es ihm vor allem um eins: die Zukunft des Rock.

Wie es bei "The Voice of Germany" für den jüngst an Corona erkrankten, aber Symptom-freien Samu Haber weiter geht, ist derzeit unklar. "Alles, was ich jetzt tun kann, ist auf dem Sofa in der Netflix-Welt zu bleiben und auf bessere Tage zu warten", schrieb er aus seiner finnischen Quarantäne. Aktuelle Dreharbeiten wurden "mit der Genehmigung des Gesundheitsamts und unter strikter Einhaltung des ausgegebenen Maßnahmenkatalogs ohne Samu Haber abgeschlossen", heißt es in einem Statement von ProSiebenSAT.1.

Schon aufgrund der Nachrichtenlage wirkt die sechste Ausgabe der "Blind Auditions" wie aus einer anderen Zeit: Bei der Aufzeichnung erfreute sich der "Sunrise Avenue"-Frontmann noch bester Gesundheit und zeigte sich energiegeladen wie immer. "Wir sind die Türsteher zum Erfolg", sagte sein Stuhl-Kollege Rea Garvey zu Beginn. Für viele der Talente war das der Eingang einer Rockkneipe: Es war eine Folge der lauten Töne.

Für die Tierphysiotherapeutin Julia aus Oberhausen eine vertraute Umgebung, wie sie mit ihrer Version von "Bulletproof" eindrucksvoll bewies. Das Resultat: Ein Viererbuzzer, gepaart mit ehrlicher Bewunderung. Das war "total Rock'n'Roll!", lobte Rae Garvey. "Du kombinierst Rock mit Soul", analysierte Nico Santos, während der auch um die Sicherheit auf der Bühne besorgte Mark Forster ("Bitte immer mindestens eine Nico Santos-Länge Abstand") vor möglicher Stilverfehlung warnte: "Rock ist gerade nicht das Coolste auf dem Markt." Grund genug für einen Zwist mit dem überzeugten, aber durchaus selbst ernannten Rocker Rea Garvey, der mit Schlägen drohte. Thore Schölermann fürchtete: "Jetzt gibt's gleich was auf die Fresse."

Wenn das Licht ausgeht

Doch so schnell wie die Stimmungskrise wieder verebbte, so schnell schien sich auch Rocklady Julia Forsters Tipp zu Herzen zu nehmen. Als Coach wählte sie nicht die "Rock-Opas" (Stefanie Kloß) Samu und Rea, sondern Nico Santos - auch nicht gerade die Verkörperung harter Gitarrenriffs. Dem regelrechten Kampf um die 27-Jährige, die in ihrer Musik auch die Trennung von ihrem Ehemann verarbeitet, folgte auch die spontane Umbenennung von Juror Mark in "Dark Forster", trocken kommentiert von Rae Garvey: "Du bist nur dunkel, wenn das Licht ausgeht."

Rocken und poppen

Grundsatzfragen in Sachen Rock bestimmten nämlich auch den Auftritt von Oliver (38), seines Zeichens Berufsmusiker und Sänger einer Bon-Jovi-Tribute-Band. Als Wuppertaler Jon Bon Jovi-Wiedergänger füllt er sonst Hallen mit bis zu 3.000 Fans. Auch bei "The Voice" brachte die Inkarnation eines 1980er-Jahre-Frontmanns nicht nur das Publikum zum Kopfnicken: Um ihn für Team "CatterKloß" zu gewinnen (und um den Jury-Jungs zu zeigen, was eine echte Rockröhre ist), gab Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß eine Rock-Version von Madonnas "Papa don't preach" zum Besten. Mark Forster wiederum erkor Oliver zum persönlichen Imageberater seines vermeintlichen Death-Metal-Projekts "Dark Forster" - versehen mit dem Zusatz, dass er, Mark, "ja schon immer für Pop stand". "Lieber rocken als poppen", konterte Garvey - natürlich zur diebischen Freude seines Co-Coaches Samu Haber, der sich nicht nur vom Wortspiel begeistert zeigte, sondern auch von seinem Blizz-Buzzer nach einer Sekunde und von Olis Talent: "Ich glaube, das war ein Rekord für mich! Das war unfassbar. Vielen Dank für diesen Moment."

Das Ende vom Rocksong blieb gitarrenlastig: Jon Bon Oliver landete im Team SamuRea, gemeinsam mit Katiuska (43), die mit "Live and let die" einen Hauch von Guns'n'Roses auf die Bühne brachte. Geboren in der Karibik, früh von ihrer im Ausland arbeitenden Mutter getrennt und Trost in der Musik suchend, lebt sie seit vielen Jahren in Österreich und ist wieder mit ihrer Familie vereint. "Deine Seele ist jung", befand eine begeisterte Yvonne Catterfeld, doch am Ende entschied sich auch Katiuska für die Altrocker "SamuRea".

Kantig authentisch

Was Rock nun am Ende ist, sei trotz reger Diskussion unter den Coaches dahin gestellt. In ihren Augen und Ohren geht es ohnehin vor allem um "Authentizität mit Ecken und Kanten" (Yvonne Catterfeld). Julian (25) aus Rosenheim, der zum Andenken an seinen verstorbenen Vater Hubert von Goiserns "Heast as net" zum Besten gab, seine Mit-Bayerin Alexandra (43), die mit Friedrich Hollaenders Lied "Die Kleptomanin" von 1931 überraschte und in ihrem neuen Coach "Dark Forster" den Chansonier weckte, sowie "Allstar"-Rapper Alex, dessen "Voice"-Auftritt mit Eminems "Lose Yourself" 2014 über 30 Millionen Mal geklickt wurde, unterstrichen das auf ihre individuelle Weise. Sie brachten mit, was "Dark Forster" so zusammen fasst: "Gefühl, keine Attitüde."

Für den emotionalen Höhepunkt sorgte jedoch sie: Michelle Schulz. 2016 nahm sie bereits als 17-Jährige an "The Voice" teil - und wäre fast daran zerbrochen: "Es war so deprimierend, dass niemand gebuzzert hat." Eine Zeitlang wandte sie sich sogar komplett von der Musik ab, wollte es jetzt aber noch einmal wissen: "Was ich in den letzten fünf Jahren für mich geschafft habe, ist, mir selber ein bisschen mehr zu vertrauen und keine Angst zu haben, bestimmte Töne zu singen." Und die saßen diesmal allesamt! Drei Coaching-Teams buzzerten für Michelle! "Du entfaltest deine Nähe und deinen Zauber durch die Stille und das Zerbrechliche", schwärmte Mark Forster und verglich die junge Sängerin sogar mit Superstar Billie Eilish. Half nur nichts. Erfolgreicher umgarnte sie Nico Santos: "Du hast mich ab der ersten Sekunde berührt. Ich habe sofort gedacht: 'Wenn das jetzt im Radio laufen würde, ich würde sofort lauter machen, weil mich deine Stimme so interessiert.'"