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Als der Himmel brannte: Vor 75 Jahren griffen 1000 britische Bomber Köln an

Die Briten nannten den Angriff auch „Operation Millennium“.

Angelika Busch schlief, als sich in England die ersten Bomber auf den Weg machten. Auf 53 Stützpunkten der Royal Air Force (RAF) starteten die Flugzeuge am späten Abend des 30. Mai 1942. In Köln war dieser Samstag ein schöner Frühlingstag gewesen, Angelika Busch, damals 13 Jahre alt, hatte im Café Jansen Eis gegessen. Ihr Bruder war auf Heimaturlaub in Köln und hatte in der Wanne, die in der Küche stand, ein Bad genommen. Das Wasser ließ er wie so oft einfach stehen. In den vorangegangenen Tagen hatte Luftmarschall Arthur Harris die „Operation Millennium“ immer wieder wegen schlechten Wetters verschoben. Doch nun verhieß die Vorhersage gegen Mitternacht klare Sicht über dem Kölner Raum. Auch Hamburg stand als Ziel auf der Liste der Luftstreitkräfte des Vereinigten Königreichs. Doch Harris, Oberbefehlshaber des RAF „Bomber Command“, entschied kurzfristig: In dieser Nacht würden mehr als 1000 Maschinen Kurs auf Köln nehmen. Das erste Mal überhaupt würde eine deutsche Stadt einem derartigen Flächenbombardement unterzogen. Es war die größte Operation des bisherigen Luftkriegs, verbunden mit einem perfiden Plan: Vor allem die Zivilbevölkerung sollte leiden, ihre Moral, ihr Widerstandswillen gebrochen, die Loyalität gegenüber dem Hitler-Regime geschwächt werden. Doch der „1000-Bomber-Angriff“ war auch eine Antwort auf die deutschen Attacken auf englische Städte wie Coventry. Angelika Busch schrieb die Ereignisse auf Angelika Busch versinkt in einem Korbsessel in ihrer Wohnung an der Dürener Straße. Das Wetter draußen ist so schön wie damals vor 75 Jahren, als sie plötzlich erwachsen werden musste. Mit dem Gehen klappt es nicht mehr so gut, aber das Gedächtnis der 87-Jährigen arbeitet einwandfrei. Aber sie hat auch säuberlich aufgeschrieben, was in jener Nacht im Mai 1942 passierte. Die Nacht, als Köln zerstört wurde wie nie zuvor im Zweiten Weltkrieg und in der 469 Menschen starben, soll nicht vergessen werden. Angelika Busch wohnte damals am Quatermarkt in der Innenstadt, wo ihre Eltern in einem stattlichen Haus aus der Gründerzeit ein Lebensmittelgeschäft betrieben. Ihr Vater jedoch war bei der Schutzpolizei dienstverpflichtet worden und arbeitete zu jener Zeit in Lindenthal. „Es gab vorher schon Angriffe auf Köln, aber die waren nicht weiter schlimm“, sagt Busch. Zerstörte Häuser waren die Ausnahme und fast schon eine Art Sehenswürdigkeit. „Bis dahin ging es uns noch gold.“ Trotzdem war die Stadt nervös, die Gymnasiastin hatte mit dem Rauchen angefangen – aus Angst. Immer wieder stand sie mit ihrer Mutter und Karl Koch, Kaplan an St. Alban, der romanischen Kirche gegenüber, in der Haustür und schaute in den Himmel oder herüber zum Turm von Haus Neuerburg, auf dem sich eine Flak-Stellung befand. Wenn die Soldaten dort unruhig wurden, lag Ungemach in der Luft. Als in der Nacht zum 31. Mai die Sirenen heulten, packte Angelika Busch schnell ihre Sachen und lief in den Keller, wo längst Betten aufgebaut waren und der Durchbruch zum Nachbarhaus als Fluchtweg offen stand. Dann liefen sie und ihre Mutter wieder rauf zur Haustür, um den Nachthimmel zu beobachten. „Das Brummen wurde immer lauter, es war anders als sonst. Diesmal war das Brummen so, dass wirklich der Boden zitterte“, sagt Angelika Busch: „Wir sahen dann ein Flugzeug nach dem anderen.“ Zurück im Keller hörten die zehn Familien des Hauses das Pfeifen der Bomben. Angelika Busch hat es noch immer im Ohr. Das Licht funktionierte nicht, die Kerzen gingen durch den Luftdruck gefallener Bomben ständig aus. Durch das Kellerfenster führte ein Rohr zu einem Petroleumtank, und Angelika Buschs Mutter hatte Angst, dass das Behältnis Feuer fing. Mit einer Feuerpatsche schlug sie hastig Funken aus. „Wir haben in der Nacht auch gebetet“, sagt Angelika Busch. Über 100.000 Bomben wurden in der Nacht 1942 über Köln abgeworfen Am 31. Mai 1942 um 0.47 Uhr waren die ersten Bomber am Kölner Nachthimmel zu sehen. Laut amtlicher Statistik wurden bei dem bis 3.10 Uhr dauernden Angriff 20 Luftminen abgeworfen, 864 Sprengbomben, 110.000 Stabbrandbomben und 1044 Phosphorbrandbomben. 3330 Häuser wurden komplett zerstört, 41.640 Wohnungen total, schwer oder leicht beschädigt, ebenso 2560 Gewerbebetriebe. Das Stadtzentrum war besonders getroffen, aber auch andere Wohngebiete waren unablässig bombardiert worden – Klettenberg und Sülz ebenso wie Deutz, Poll oder Zollstock. 45.132 Menschen verloren ihr Zuhause, der Straßenbahnverkehr brach zusammen. Von den 469 Toten starben 248 außerhalb der Luftschutzräume. „Das war eine neue Dimension der Zerstörungskraft im Krieg überhaupt“, so Werner Jung, Leiter des NS-Dokumentationszentrums. Danach hatte Köln seine historische Silhouette verloren und die Kölner ihre Zuversicht. Angelika Buschs Elternhaus war nur leicht beschädigt. Die Brandbomben, die im Hof einschlugen, konnten durch das brüderliche Badewasser aus der Küche gelöscht werden. Aber als Busch gegen 5 Uhr auf die Straße trat, brannte der Boden von den Phosphorbomben und Häuser standen in Flammen. „So schlimm es war – es sah zum Teil faszinierend aus“, sagt sie. Ihre Mutter erlitt einen Nervenzusammenbruch und einen Herzanfall. Gegen 6 Uhr kam auch ihr Vater aus Lindenthal zurück, wo er in einem Schutzraum der Polizeiwache an der Uhlandstraße überlebte und mit dem Rad kaum nach Hause kam, „weil die Häuser über der Straße lagen“. Die prägendsten Stunden hatte Busch aber erst vor sich. Als Mitglied der Jungmädel, einer Organisation des von den Nazis gegründeten Bunds Deutscher Mädel, wurde sie zum Rathaus zitiert, wo sie mit anderen Mädchen die Verletzten versorgen musste. Und sie musste phosphorverbrannte Leichen zum Abtransport auf einen Wagen laden. „Ich kam nach Hause und weinte fürchterlich“, sagt Busch. An diesem Tag sei sie erwachsen geworden, habe sie sich verändert: „Meine Kindheit dauerte bis zu diesem Angriff.“ Dass der „1000-Bomber-Angriff“ erst der Anfang eines bitteren Leidenswegs für die Kölner war, ahnte niemand: „Das war ein Grauen, man konnte sich gar nicht vorstellen, dass es noch schlimmer kam“, sagt Angelika Busch: „Aber es kam schlimmer.“ Ihr Elternhaus verlor sie in der Nacht zum 29. Juni 1943 während des „Peter-und Paul-Angriffs“, ihre Familie überlebte den Krieg. Das alte Köln jedoch nicht. Vortrag und Dokumentation zum Jahrestag – Neue Datenbank der NS-Opfer Zum 75. Jahrestag des „1000-Bomber-Angriffs“ hält Martin Rüther vom NS-Dokumentationszentrum (NS-Dok) am Dienstag, 30. Mai, 19 Uhr, im El-De-Haus am Appellhofplatz den Vortrag „Die Nacht, die Köln veränderte“. Donnerstag, 22. Juni, 18 Uhr, führt Karola Fings, stellvertretende Direktorin des NS-Dok, über den Westfriedhof und erläutert, wie das NS-Regime den Tod der Zivilbevölkerung instrumentalisierte. Am Mittwoch, 28. Juni, 19 Uhr, präsentiert Filmemacher Hermann Rheindorf in der Volksbühne am Rudolfplatz seine Dokumentation „Köln im Krieg 1942 bis 1945“. Nach etlichen Jahren der Vorarbeit hat das NS-Dok eine neue Datenbank mit dem Titel „Die Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ online gestellt. Angehörige und andere Interessierte können hier über verschiedene Suchfunktionen mehr als 14500 Männer, Frauen und Kinder recherchieren, die vor allem von 1939 bis 1945 in Köln starben und begraben wurden. Das Angebot ergänze andere Quellen zu Kriegsgräberstätten wie etwa die des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, so Karola Fings vom NS-Dok. Da weitere Quellen wie Beerdigungsregister der Kirchen ausgewertet wurden, konnten fehlerhafte Namensangaben korrigiert werden. Zudem seien Opfer-Gruppen in die Liste aufgenommen worden, die bisher nicht genannt worden seien. Dazu zählen deutsche und ausländische Opfer der NS-Sondergerichte, die nicht als NS-Opfer anerkannt wurden, Opfer von Krankenmorden oder des „1000-Bomber-Angriffs“, die privat beigesetzt wurden. Die Grabstätten von 13300 Opfern der NS-Zeit werden als Kriegsgräber auf 44 Kölner Friedhöfen erhalten, 1200 Gräber sind nicht mehr vorhanden. www.ns-dok.de...Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta