Verwaltungsgericht: «Tag X»-Demo bleibt verboten

Lange war unklar, ob die linksautonome Szene am «Tag X» in Leipzig demonstrieren darf. Der Eilantrag gegen ein entsprechendes Verbot wurde nun zurückgewiesen - die Mobilisierung habe sich laut Gericht auch an eine gewaltbereite Szene gerichtet.

Leipzig (dpa) - Die für morgen geplante «Tag X»-Demo nach dem Linksextremismus-Urteil gegen die Studentin Lina E. bleibt untersagt. Das Verwaltungsgericht in Leipzig wies am späten Nachmittag einen Eilantrag gegen das Verbot durch die Stadt als Versammlungsbehörde zurück. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung auszugehen, teilte ein Gerichtssprecher mit. Insofern erweise sich die Gefahrenprognose der Stadt als zutreffend.

Aus Sicht des Verwaltungsgerichts ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Mobilisierung im Internet einschließlich des Demonstrationsaufrufs auch an eine gewaltbereite autonome linksextremistische Szene gerichtet habe. Auch wenn es inzwischen eine Distanzierung von Gewaltaufrufen gegeben habe und zuletzt zu einer friedlichen Demonstration aufgerufen worden sei, bleibe zu befürchten, dass aus der angemeldeten Versammlung heraus Gewalttätigkeiten begangen würden.

Zudem erscheine die angemeldete Teilnehmerzahl von 400 bis 500 nicht ansatzweise realistisch. Es sei mit einer weitaus höheren Teilnehmerzahl zu rechnen, so das Verwaltungsgericht. In linksradikalen Kreisen war seit langem bundesweit und darüber hinaus mobilisiert worden für die Demo mit dem Motto «United we stand - Trotz alledem, autonomen Antifaschismus verteidigen!».

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist eine Beschwerde beim sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen möglich.

Was ist «Tag X»?

Der «Tag X» ist eine Reaktion auf die Verurteilung der Studentin Lina E. und den drei Mitangeklagten wegen Überfällen auf vermeintliche oder tatsächliche Neonazis. Das Quartett war am Mittwoch vom Oberlandesgericht Dresden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden wegen Körperverletzung und Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Lina E., die seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft saß, kam nach der Urteilsverkündung vorläufig frei.

Ein Transparent mit der Aufschrift
Ein Transparent mit der Aufschrift "Demo am Tag X» und "# Free Lina" hängt an der Fassade eines Hauses im Osten der Stadt. Damit soll auf das geplante Demonstrationsgeschehen im Zusammenhang mit der Urteilsverkündung im Lina-Prozess aufmerksam gemacht werden (Bild: Sebastian Willnow/dpa)

Schon ab heute 18.00 Uhr gilt in Leipzig ein sogenannter Kontrollbereich, der große Teile des Stadtgebiets im Osten, Süden und Westen Leipzigs umfasst. Dort kann die Polizei ohne besonderen Anlass Menschen anhalten und die Identität prüfen. Auch der Anreiseverkehr auf den Straßen und am Hauptbahnhofe solle kontrolliert werden, hatte die Polizei mitgeteilt.

Leipzigs Stadtchef Jung rief zur Friedlichkeit auf. In der Stadt der Friedlichen Revolution von 1989 sei auf die Straße getragene Gewalt vollkommen inakzeptabel. «Ich appelliere an alle, sich den Aufrufen nicht anzuschließen und sich von jeglicher Gewalt unmissverständlich zu distanzieren.»

Am Mittwochabend hatte es eine Solidaritäts-Demo für Lina E. gegeben. Sie war gleich zu Beginn wegen Auflagenverstößen und deutlich überhöhter Teilnehmerzahl gestoppt worden. Danach eskalierte die Situation kurzzeitig. Es wurden Steine und Böller auf Polizeibeamte geworfen.

Kritik an Polizei

Gestern Abend geriet die Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel als Anmelderin einer Jugenddemo am Kindertag in eine polizeiliche Maßnahme. Videobilder vom Vorgehen der Polizei lösten heftige Kritik aus. In den sozialen Netzwerken wird der Polizei, dem Landes-Innenministerium und der Stadt Leipzig vorgeworfen, die Situation rund um den «Tag X» zu eskalieren. Ein Polizeisprecher wies darauf hin, dass bei der Jugenddemo zahlreiche polizeifeindliche Sprüche gerufen worden seien.

Juliane Nagel, sächsische Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke, wird von Polizisten zu einem Fahrzeug gebracht (Bild: Sebastian Willnow/dpa)
Juliane Nagel, sächsische Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke, wird von Polizisten zu einem Fahrzeug gebracht (Bild: Sebastian Willnow/dpa)

Nach Polizeiangaben traf sich Nagel heute mit dem Leipziger Polizeipräsidenten René Demmler und dem sächsischen Innenminister Armin Schuster (CDU) zum Gespräch. Dabei habe man sich sachlich und kritisch mit dem Polizeieinsatz am Donnerstag und der Versammlung auseinandergesetzt. Die Beteiligten seien sich einig gewesen, dass vor dem «Tag X» Verunsicherung und Ängste vor Ausschreitungen bestünden und Deeskalation das Gebot der Stunde sein müsse. Auch Nagel forderte «Deeskalation auf allen Seiten».

Im Zusammenhang mit dem «Tag X»-Verbot rückte auch der Freitagabend in Leipzig in den Fokus der Aufmerksamkeit. Im Stadtteil Connewitz wurde am Abend zu einem «Massencornern» aufgerufen. Verschiedene Antifa- und Anarchie-Accounts warben dafür, sich «die Straßen zu nehmen». Solidarität lasse sich nicht verbieten, heißt es in den Aufrufen.

Außer dem «Tag X» stehen am Wochenende in Leipzig etliche andere Großveranstaltungen an. Es ist Stadtfest, Herbert Grönemeyer gibt ein Konzert vor Zehntausenden Besuchern, und am Samstag spielen Lok Leipzig und der Chemnitzer FC um den Sachsenpokal. Eine Absage dieses Fußballspiels war überlegt, aber dann verworfen worden.