Kommentar: Das Ampel-Kabinett der geplatzten Hoffnung

Das Aus für Bundesminister in spe Cem Özdemir? Der Grüne bei einem Parteikongress (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)
Das Aus für Bundesminister in spe Cem Özdemir? Der Grüne bei einem Parteikongress (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)

Wer wird was in der neuen Bundesregierung: Die ersten Personalien sickern durch, und sie sorgen für Ernüchterung. Denn Mut und Vision sehen anders aus.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die sich anbahnende Koalition aus SPD, Grünen und FDP stolpert schon beim Gang zum Startblock. Die Zweifel ob der Coronatauglichkeit jedenfalls haben führende Ampelpolitiker noch nicht zerstreut. Deren Gerede rund um das Ende der „pandemischen Lage“ vor kurzer Zeit erscheint als schlechter Scherz. Und die neue Bundesregierung wird ihren Beginn von Los an nur dann nicht vermasseln, wenn sie mit einem großen Schuldeingeständnis beginnt: Dass sie auf die Mahnungen aus der Wissenschaft vor einer vierten Infektionswelle nicht gehört haben.

Vielleicht waren sie zu beschäftigt mit dem Festzurren der Grundkomponenten ihrer kommenden vier Regierungsjahre, es gibt ja noch anderes als Corona.

Doch das Personaltableau, das sich gerade abzeichnet, enttäuscht doch sehr. Verdienste gegenüber der eigenen Partei, so droht es, wiegen schwerer als Kompetenz – und das in mehrfachem Sinne.

Die beste Nachricht vorneweg: Das künftige Kabinett wird fast zur Hälfte aus Frauen bestehen. Auch ist gut, dass Ministerinnen und Minister, die sich in der bisherigen „Großen“ Koalition durchaus bewährt haben, eine weitere Chance kriegen; und jene, die einen wirklich schlechten Job verrichteten, wie zum Beispiel SPD-Außenminister Heiko Maaß, womöglich aussortiert werden.

So gesehen ist es beruhigend, dass Hubertus Heil weiterhin für Arbeit und Soziales zuständig sein wird und Christine Lambrecht nach ihrer Aufgabe im Justizressort nun als Innenministerin gehandelt wird. Sie könnte jenen frischen Geist den Behörden einhauchen, den sie dringend benötigen.

Doch dann wird es mysteriös.

Wer auf dem Zettel stehen müsste

Warum ein Michael Wer? Theurer als Bundesgesundheitsminister auf den durchgestochenen Zetteln der Hauptstadtjournalisten steht, lässt sich eher mit Parteienproporz und weniger mit Kompetenz erklären. Irgendwie braucht die FDP noch ein paar Ämter, wird es verzweifelt geheißen haben. Und die Wahl von Marie-Agnes Strack-Zimmermann als neue FDP-Verteidigungsministerin ist ein echter Coup; inwiefern sich Christian Lindner als oberster Kassenwart bewährt, bleibt abzuwarten, aber wenigstens lang genug warmgelaufen für den Job hat er sich. Doch Theurer? Der Mann hat eine interessante Biographie, ist auch lokal verwurzelt, schaffte es als Liberaler auf einen nicht unwichtigen Bürgermeisterposten. Doch der gelernte Journalist und Volkswirt als Bundesgesundheitsminister wäre in der Tat verschreibungspflichtig – freiwillig würde man den nicht nehmen. In Zeiten der Pandemie ist dieses Ressort mit das wichtigste. Es einem Newcomer anzuvertrauen, ist kein vertrauensschaffender Akt. Ginge es nach Kompetenz, käme an allererster Stelle Karl Lauterbach von der SPD in Frage. Er ist nicht nur Wahlkreissieger, sondern Arzt und Epidemiologe, er lag bei Corona in seinen Vorhersagen bisher fast immer richtig – also eine Ausnahmeerscheinung unter seinen Politikerkollegen. Doch er ist nicht genügend vernetzt, zu eigensinnig – raus?

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Mehr Mut bei der Besetzung!

Ähnliches gilt für Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker eignet sich für gleich mehrere Ämter, etwa für Verkehr, Bildung oder für Innen. Und es gilt ein Versprechen einzulösen, und zwar dass endlich Leute aus den türkischsprachigen Bevölkerungsschichten uns mitregieren. Özdemir würde das Kabinett diverser machen, wichtige Erfahrungen einbringen. Auch das ist eine Art Kompetenz. Und überqualifiziert ist er allemal.

Natürlich wäre auch der Grüne Toni Hofreiter ein guter Verkehrsminister – wie wohl vorgesehen. Und klar, dann gäbe es Probleme, ein zwischen Frauen und Männern ausgeglichenes Kabinett zu realisieren. Aber dann müssten andere zurückstecken. Was das Land braucht, sind die besten. Und danach sieht es bei diesem Kabinett nicht überall aus.

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