Kommentar: Donald Trump schnallt es nicht

Großer Schreibtisch für den Präsidenten: Donald Trump (Bild: REUTERS/Carlos Barria)
Großer Schreibtisch für den Präsidenten: Donald Trump (Bild: REUTERS/Carlos Barria)

Der US-Präsident versteht den Aufruhr in seinem Land nicht. Man sollte milde mit ihm sein. Es übersteigt sein Superhirn.

Ein Kommentar von Jan Rübel

"Bitte, wenn Sie nichts Konstruktives zu sagen haben, halten Sie den Mund..." - das sagte der Polizeichef von Houston nicht jemandem in Gewahrsam, sondern dem Mann im Weißen Haus. Denn Donald Trump hat gewisse Glocken nicht gehört: dass die Empörung, der Aufruhr und die Randale in den USA sich gegen etwas Strukturelles richten.

In Amerika geht es nicht um einen Fall, in dem ein schwarzer Mann von weißen Polizisten bei der Festnahme so drangsaliert wurde, dass er starb. Es geht um die Muster, die weithin sichtbar die amerikanische Gesellschaft durchlaufen. Diese Äderchen schaffen es bis in jedes Dorf. Sie besagen: Wir Weißen dürfen euch Schwarze erniedrigen, weil unsere Elterseltern Sklavenkäufer waren und eure Elterseltern Sklaven waren. In diesem kranken Selbstverständnis darf man vieles: Einen schwarzen Menschen grundlos für verdächtig halten, ihn automatisch schlechter behandeln, ihn in der Schule gleich nach hinten aussortieren und im Zweifel – siehe der Fall George Floyd.

Sein Tod, der bewusst in Kauf genommen wurde, ist Struktur.

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Trump aber peilt es nicht. Er will es auch nicht kapieren. Denn eine Einsicht würde an den Grundpfeilern seines Selbstverständnisses kratzen: Seit seiner frühsten Kindheit hat ihm sein Vater eingetrichtert, er sei etwas Besonderes, er sei ein König. Stets hat Trump abgestritten, dass sein Vater Mitglied im rassistischen Lynchmob Ku Klux Klan gewesen sei, aber es gibt viele Hinweise darauf, dass sein Papi ab und zu mal eine weiße Kapuze anzog. Man kann nun nichts für seine Eltern. Aber gewissen Einfluss hat es schon.

Einmal Ablenkung, bitte

Und Trump redet gern von Genen, und welch gute er habe. Er lobt die „Blutlinie“ des Antisemiten Henry Ford, und auch seine zigfach belegte mindere Intelligenz sowie noch mindere Bildung helfen ihm kaum. Trump ist nicht nur blöd. Er ist auch ein Rassist.

Daher fehlt ihm das Zeug zum Verständnis für die Lage der Nation. Der Schwarze hat nicht aufzumucken, sonst erinnert er gleich daran, was dann blüht: Dann wird geschossen, dann kommen die Soldaten – endlich etwas, das Trump versteht, nämlich die Sprache der Gewalt.

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Auch lenken die Unruhen von seinem Versagen bei der Corona-Krise ab. Endlich ein anderes Thema! Er wird es herbeigesehnt haben. Nun kann sich Trump als wortstarker Präsident inszenieren, der vorgibt, für Ruhe und Ordnung zu stehen. Und Soldaten könnte er auch losschicken, ist das nicht schick?

In seiner Ignoranz hat Trump dennoch erkannt, dass die Coronadebatten ein wenig in den Hintergrund rücken. Auch wird er gerochen haben, dass er mit seiner mitgefühllosen Haltung gegenüber den Opfern weißer Diskriminierung und physischer Gewalt bis zum Tod eine nicht kleine Anhängergruppe mobilisieren kann; es ist ja eigentlich schon Wahlkampf.

Die Rolle der Rechten

Drittens ist schon auffällig, wie Trump sich auf tatsächlich vorhandene linke radikale Kräfte der Unruhen konzentriert und sie zu brandmarken versucht, nach dem Motto: Es ist Schuld der Demokraten – und dabei geflissentlich übersieht und mit keinem Wort erwähnt, dass Rechtsradikale, die sich mehr oder weniger zu seinen Anhängern zählen, munter bei den Unruhen mitmachen. Sie verkleiden sich, provozieren und eskalieren, in vielen Fällen. Ihre Hoffnung: Dass die Öffentlichkeit ihre Gewalt den Linken und den Schwarzen in die Schuhe schiebt und dadurch der Staat, den sie hassen, destabilisiert wird. Es wäre angeraten, wenn Trump dies einmal bemerken würde, immerhin ist er höchster Repräsentant dieses Staates. Und vieles ist von Trump bekannt, nicht aber, dass er sich selbst hassen würde.

So offenbart sich Trump mal wieder in einem Superlativ. Er hat es geschafft. Er ist der schlechteste US-Präsident aller Zeiten.

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