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Kommentar: Muss Karl Lauterbach sein Amt räumen?

Der Gesundheitsminister stehe vor dem Aus, wird geraunt. Vorneweg in der Prophezeiung: FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Klar, in diesem Ressort steht man im Kreuzfeuer. Da ist erstmal wichtig zu sehen, wer einen anzählt.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Steht in der Kritik: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)
Steht in der Kritik: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)

Corona macht den Job nicht leichter. Vergnügungssteuer musste ein Bundesgesundheitsminister schon seit Menschengedenken nicht zahlen – zu viele sich widersprechende Interessen prasseln auf dieses Ressort nieder: Patienten und Ärzte, Pharma und Versicherungen, alle mit ihrem eigenen Blick. Und dann auch noch Corona, etwas völlig Neues. Verschwörungspotenzial. Kein Wunder, dass der aktuelle Amtsinhaber Karl Lauterbach unter besonderer Beobachtung steht.

Nun hat Wolfgang Kubicki gegen den SPD-Politiker ausgeteilt. Der „Stuttgarter Zeitung“ vertraute er an: „Ich gehe ehrlich gesagt nicht davon aus, dass Karl Lauterbach als Gesundheitsminister die ganze Legislaturperiode im Amt bleibt.“ Wie kommt der FDP-Mann zu seiner Erkenntnis? „Die SPD ist doch selbst komplett genervt von Lauterbach. Wenn Sie sich bei Mitarbeitern seines Hauses umhören, ist die Frustration nicht mehr zu toppen. Die Leute fragen, welchen Twitterkanal sie denn nutzen müssten, um zu wissen, was der Minister will.“ Und: „Lauterbach verzettelt sich. Er kann das Haus nicht führen.“

Führen will gelernt sein

Harter Tobak. Denn Kubicki ist vom Koalitionspartner FDP. Es wäre also ernst zu nehmen, was von dort kommt. Nur gibt es da einen Denkfehler. Es kommt von Kubicki.

Der Norddeutsche ist Parteivize und Vizepräsident des Bundestages. Das klingt hoch, trägt auch viel Verantwortung in sich, aber vor allem im Administrativem. Von Gesundheitspolitik hat Anwalt Kubicki nicht sonderlich viel Ahnung.

Was ist also der Kern seiner Kritik? Ein „Ehrlich gesagt“ leitet seine Worte ein. Das ist eine Floskel, heißt aber wörtlich verstanden: Ganz ehrlich ist er nicht immer. Kubicki beißt. Zusammengefasst sieht er Lauterbachs Zukunft in düsteren Farben, weil seine Mitarbeiter an ihm verzweifeln würden und er nicht genügend Führungsqualitäten habe. Den Twitter-Spruch hat Kubicki von einer Personalversammlung im November. Lauterbach nimmt seltener als seine Vorgänger an Ausschusssitzungen des Bundestages teil, empfängt weniger Lobbyisten – ist aber auch mehr Experte und Sachverständiger als seine Vorgänger, da er Arzt und Gesundheitsforscher ist. 40 Gesetze hat er in Umlauf gebracht, der Mann läuft auf Hochtouren, manches wirkt mit heißer Nadel gestrickt, aber eine Richtung ist da. Manch anderer verwaltete das Ressort in einem Equilibrium aus reiner Bewegungslosigkeit.

Wenn Kubicki also weniger der G-Experte ist, was sagt der gesundheitspolitische Sprecher seiner Fraktion: Er achte Lauterbachs Haltung, sagt Andrew Ullmann, „auch wenn ich im Bereich der Kooperation wohl anders arbeiten würde“. Das klingt doch schon ganz anders.

Was auf einen zurückfällt

Kubicki meint, einen Instinkt zu haben. In Lauterbach sieht er womöglich etwas wie keinen „ganzen Kerl“, jedenfalls ließ er mal verbreiten, in seiner Kneipe im Norden würden die Leute ihn einen „Spacken“ nennen. All dies spiegelt erstmal Kubicki selbst. Er sieht in sich gewiss einen „ganzen Kerl“, mit Führungsqualitäten ist er bestimmt auf die Welt gekommen. Und er hat ja Ausstrahlung. Auf FDP-Parteitagen scharen sich sofort Journalisten um ihn, wenn er sich blicken lässt: Endlich wird es locker, lustig und direkt; Kubicki sticht mit seiner Art unter den wirklich nicht wenigen eher blass auftretenden FDP-Apparatschiks heraus. In der CSU oder der SPD würde er mit seinem Stil weitaus weniger auffallen. Den Liberalen dagegen haucht er Leben ein.

Aber Kubicki ist eben der Vize und der Vize. Zu entscheiden hat er nichts. Deshalb gibt er Interviews und zählt Andere an, legt Sandkastenverhalten an den Tag. Dabei verwechselt Kubicki Raubeinigkeit mit Authentizität. Das ist blöd, denn natürlich kann er sein. Nur muss dann ab du zu was raus. Diesmal kriegt es Lauterbach ab.

Solange nur Kubicki am Bundesgesundheitsminister herumnölt, kann der sich zurücklehnen.

Im Video: Auch FDP attackiert Gesundheitsminister: "Lauterbach verzettelt sich"