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Entsetzen nach Attacke auf Polizisten in Leipzig

Polizisten räumen in der Neujahrsnacht eine Kreuzung im Leipziger Stadtteil Connewitz.
Polizisten räumen in der Neujahrsnacht eine Kreuzung im Leipziger Stadtteil Connewitz.

Ein Polizist wird bei einem Einsatz in Leipzig schwer verletzt. Das LKA ermittelt wegen versuchten Mordes. Schon länger verzeichnen Behörden in Leipzig eine Zunahme linksextremer Straftaten.

Leipzig (dpa) - Die Attacke auf einen Polizisten in der Silvesternacht in Leipzig hat Entsetzen hervorgerufen. «Diese Tat zeigt: Menschenverachtende Gewalt geht auch von Linksextremisten aus», teilte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag mit.

Zu den Tätern hatten die Ermittler am Donnerstag noch keine Hinweise. Die Ermittlungen wegen versuchten Mordes dauerten an, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig.

Der Polizist war in der Silvesternacht im linksalternativen Leipziger Stadtteil Connewitz schwer verletzt worden. Mehrere Menschen hätten - teilweise vermummt - Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper auf Einsatzkräfte geworfen, hieß es von der Polizei. Drei Polizisten, darunter der 38-Jährige, seien von etwa 20 bis 30 Personen attackiert worden, als sie die Angreifer festnehmen wollten.

Nach Angaben der Ermittler rissen die Unbekannten den Polizisten die Helme vom Kopf und attackierten sie auf dem Boden liegend. Der 38-Jährige wurde so schwer verletzt, dass er notoperiert werden musste. Am Donnerstag befand er sich weiterhin im Krankenhaus. Er schwebe aber nicht in Lebensgefahr, hieß es von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Nach der ersten Auseinandersetzung habe es im Stadtteil weitere Angriffe auf Polizisten gegeben, so das LKA. Zehn Tatverdächtige wurden festgenommen, von denen sechs wieder entlassen wurden. Vier Männer im Alter von 29, 30, 32 und 27 Jahren sollten am Donnerstagabend einem Haftrichter vorgeführt werden. Zu den Tätern, welche die Polizisten attackiert haben sollen, gebe es bislang keine Hinweise, so die Staatsanwaltschaft.

Im Stadtteil Connewitz kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Leipzig sei deutschlandweit eine Hochburg linksextremistischer Straftäter, sagte Tom Bernhardt vom LKA Sachsen. Die Gewalttaten nähmen zu. Während laut LKA im ersten Halbjahr 2018 in Sachsen 361 politisch motivierte Straftaten registriert wurden, waren es in der ersten Hälfte ein Jahr später 600.

Allein in Leipzig zählten die Ermittler im vergangenen Jahr 357 politisch links motivierte Straftaten, 135 mehr als im Vorjahr. Bernhardt betonte, dass das Polizeiliche Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum (PTAZ) nicht gegen Linke, sondern gegen Straftäter ermittle.

Täter werden selten gefasst. «Die Szene ist clever und extrem klandestin (heimlich) in ihrer Vorgehensweise», so Bernhardt. In den vergangenen Monaten waren in Leipzig immer wieder Autos und Baumaschinen in Brand gesetzt worden. Im Herbst hatten Unbekannte - die Ermittler vermuten Linksextremisten - eine Mitarbeiterin einer Immobilienfirma in ihrer Wohnung überfallen und mit Fäusten traktiert.

Einen Zusammenhang zu den Silvester-Vorfällen sah Staatsanwalt Schulz jedoch zunächst nicht. Die Taten hätten sich gegen Gentrifizierung gerichtet, die Attacke in Connewitz richtete sich direkt gegen die Polizei. Zusammenhänge würden aber geprüft.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verurteilte die Attacke. «Das ist auch kein Kavaliersdelikt, sondern ein klarer Angriff auf unsere Gesellschaft», erklärte der Vizevorsitzende Jörg Radek. «Wir fordern, dass die Justiz mit aller Konsequenz gegen die mutmaßlichen Täter vorgeht und damit ein Signal für den demokratischen Einsatz der Polizei setzt.»

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, fühlt sich an die Anfänge der RAF vor rund 50 Jahren erinnert: «Diese Attacken offenbaren klar die Handschrift linksextremer Kreise und erinnern in Zielsetzung und Ausführung fatal an die Ausbildung linksterroristischer Strukturen in den 70er Jahren.»

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) kündigte an, die Straftaten «mit aller Härte des Rechtsstaates» zu verfolgen. Auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) verurteilte den «heftigen kriminellen Gewaltausbruch».

Politiker von CDU, SPD und AfD hatten zum Teil heftige Kritik an Politikern der Linkspartei geübt. Diese hatten der Polizei vorgeworfen, sie habe die Feiernden provoziert. Die sächsische Linke-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel hatte auf Twitter in der Silvesternacht geschrieben: «Uff. Cops raus aus Connewitz gewinnt nach diesem Jahreswechsel 'ne neue Bedeutung. Ekelhafte Polizeigewalt, überrennen Unbeteiligter, wirre Einsatzmanöver, kalkulierte Provokation.» Am Donnerstag sagte die Connewitzer Abgeordnete der Deutschen Presse-Agentur: «Auf Twitter habe ich mich wohl unglücklich geäußert.» Das sei der Aufregung vor Ort geschuldet gewesen. Sie forderte eine deeskalierende Strategie der Polizei.

Die Landesparteispitze der Linken verurteilte die Angriffe in Leipzig am Donnerstag entschieden. «Man bewirft andere Menschen nicht mit Pyrotechnik, nicht mit Flaschen und nicht mit Steinen. Wohin solche oder andere Gewalttaten führen können, zeigt die Silvesternacht nun auf besonders traurige Weise», so die Landesvorsitzenden Susanne Schaper und Stefan Hartmann.

Auch die Grünen-Spitze im Bund verurteilte die Attacke. «Angriffe auf Polizisten wie in Connewitz sind nicht hinnehmbar», sagte Parteichef Robert Habeck der dpa. «Gewalt ist nicht akzeptabel.»