Werbung

Die Mini-Roboter dieses Bundeswehr-Offiziers sollen Kriegsgegner verwirren

Ein Bundeswehroffizier will kleine Roboter bauen, um seine Kameraden im Kampf zu unterstützen. Noch steht er damit ganz am Anfang.

Marc Wietfeld ist Bundeswehr-Offizier und Gründer des Startups Arx Landsysteme. - Copyright: Marc A. Wietfeld
Marc Wietfeld ist Bundeswehr-Offizier und Gründer des Startups Arx Landsysteme. - Copyright: Marc A. Wietfeld

Was Marc Wietfeld im Gründerszene-Gespräch erzählt, klingt wie ein Action-Film. Denn zu seinem Berufsalltag gehört es, den Wald- und Häuserkampf zu trainieren. In voller Montur: Mit einer Waffe in der Hand, Munition um die Hüften und Tarnfarbe im Gesicht. Er ist Offizier in der Infanterie der Bundeswehr und weiß, wie man Gefechte am Boden führt – und was auch schieflaufen kann dabei. Um den Blutzoll auf dem Gefechtsfeld zu minimieren, gründete er im März 2021 das Roboter-Startup Arx Landsysteme.

Die Roboterfahrzeuge der Münchener Firma sollen Soldaten im Gefecht helfen, gegnerische Mannschaften zu beobachten und zu täuschen, indem sie beispielsweise Schussgeräusche imitieren, künstlichen Nebel erzeugen oder mit Laserstrahlen ablenken.

Startups präsentieren Lösung für mehr Sicherheit

Seit Beginn des Ukraine-Krieges sind auch hierzulande Debatten über die Frage, wie sich Nationen militärisch gegen Angriffe verteidigen, in den Vordergrund gerückt. Das ruft nicht nur etablierte Rüstungskonzerne auf den Plan, sondern auch Startups. Viel Aufmerksamkeit hat in den vergangenen Monaten beispielsweise die Drohnen-Firma Quantum Systems erhalten, das im Frühjahr einige seiner Aufklärungsdrohnen in ukrainische Krisengebiete lieferte und daraufhin auch Bestellungen von Regierungen erhielt, unter anderem vom deutschen Verteidigungsministerium.

Soweit ist Arx Landsysteme noch lange nicht. Doch Gründer Wietfeld hofft zumindest, dass auch die Bundeswehr eines Tages Interesse an seinen Robotern haben wird. Bis dahin führt er Tests mit den Prototypen durch. Mit dabei: zwei Schwergewichte der Rüstungsindustrie, Rheinmetall und Hensoldt. Die beiden Firmen legen dem Gründer zufolge unterschiedliche Schwerpunkte in den Tests. Demnach schaut sich Rheinmetall an, wie die Roboter des Startups im Kampf gegen Panzer performen. Hensoldt hingegen fokussiert sich auf das Zusammenspiel zwischen den Robotern und der Aufklärung aus der Luft.

Die Roboterfahrzeuge sollen den Luftraum überwachen können, weil sie mit Ladestationen für Drohnen ausgestattet sind, um die Akkus immer wieder aufladen zu können. Für den Überblick am Boden sollen die am Roboter installierten Kameras sorgen. Mithilfe künstlicher Intelligenz sollen sie so umliegende Gebiete analysieren und gegnerische Fahrzeuge ausfindig machen können.

Es gibt zwei Modelle des Roboters: Gereon 1 und Gereon 2. Die unterscheiden sich vor allen Dingen in der Größe und im Gewicht: Gereon 1 ist kleiner, wiegt circa zwölf Kilogramm und hat nicht so viele Funktionen wie der Gereon 2, der mit über 60 Kilogramm schon deutlich schwerer ist. Beide Geräte sollen sich dennoch im Gepäck von Soldaten verstauen lassen.

Die beiden Roboter Gereon 1 (rechts) und Gereon 2 (links). - Copyright: Unternehmen
Die beiden Roboter Gereon 1 (rechts) und Gereon 2 (links). - Copyright: Unternehmen

Beide Fahrzeuge sollen autonom Aufträge erledigen können. Das kann beispielsweise heißen, einen Feind ausfindig zu machen und ihn mittels Täuschungsmanövern auf die falsche Fährte zu bringen. Darauf werde die KI derzeit trainiert, so Wietfeld. Die Roboter sollen aber auch von anderen, weit entfernteren Orten wie einer Kommandozentrale ferngesteuert werden können.

Ganz viele Miniroboter – statt eines großen Panzers

Die Geräte eignen sich somit für den Einsatz in Gebieten, wo größere Fahrzeuge wie etwa Panzer nur schlecht hinkommen, dazu zählen beispielsweise abgelegene Waldgebiete oder Dörfer. Die Roboter des Startups seien zudem darauf ausgelegt, in kämpferischen Handlungen im Schwarm zu agieren, so Wietfeld. Sollte ein Roboter also ausfallen, weil er beispielsweise beschädigt wird, sollen die restlichen Geräte seine Mission weiterverfolgen können.

Die hohe Widerstandsfähigkeit der Roboter soll dadurch gegeben sein, dass sich zahlreiche Features, wie etwa die Kameras, Sensoren oder Rauchmaschinen, auf mehrere Fahrzeuge verteilen. Das senkt den Stückpreis für einen Gereon-Roboter auf 5000 bis 30.000 Euro, was im Vergleich zu einem Panzer günstig sei. „Sollte ein Roboter im Gefecht beschädigt werden, ist das nicht so tragisch“, so Wietfeld. Nach dem Motto: Was einmal auf dem Gefechtsfeld kaputtgeht, kann dann auch liegenbleiben.

Sind die Geräte günstig, dann sind sie auch leicht zu ersetzen. Das ist Wietfeld besonders wichtig und hat vor allem mit den verstorbenen Bundeswehrsoldaten des Karfreitagsgefechts in Afghanistan im Jahr 2010 zu tun. Damals kamen vier Soldaten ums Leben, als sie auf freiem Feld nach einer abgestürzten Drohne suchten und dabei von Taliban angegriffen wurden. Wietfeld vermutet, dass die Drohne wieder aufgesammelt werden sollte, da sie so teuer und wertvoll gewesen sei und die Bundeswehr nur wenige von diesen Geräten gehabt habe.

Vom Hauptschulabschluss zum Master und Gründer

2010, im Jahr dieses schrecklichen Ereignisses, war Wietfeld als Azubi bei einem Metallbauhersteller in Baden-Württemberg tätig. Weil er die Schule frühzeitig abbrach, hatte er zu diesem Zeitpunkt nur einen Hauptschulabschluss. Nach dem Ende seiner Ausbildung ging er zur Bundeswehr, holte dort sein Abitur nach, arbeitete zwischenzeitlich für die Würth-Unternehmensgruppe und absolvierte anschließend seinen Bachelor und Master im Bereich Medienmanagement an der Universität der Bundeswehr. Und irgendwann entschied er sich auch noch zu gründen.

Seine ersten Gehversuche als Gründer machte er mit einer App, die politische Bildungsthemen innerhalb der Truppe auf einer Plattform vereinen soll. Die Idee für die Miniroboter hatte er später, nach einer Gefechtsübung, wie er erzählt. Um die gegnerische Truppe zu verwirren, malte der Gründer einen am Fenster platzierten Besenstiel schwarz an. Damit täuschte der Soldat erfolgreich eine Gefahr vor, die die gegnerische Truppe in ein falsches Gebäude lockte.

In der Kriegsführung sind Ablenkungsmanöver und Täuschungen schon lang bewährte Mittel. Während des Zweiten Weltkriegs simulierte die US-Armee beispielsweise Fahrzeugbewegungen und Flussüberquerungen, stellten Gummi-Panzer und andere Geschütze auf und sorgten mit Fake-Funksprüchen für Verwirrung. Wietfeld will, dass ein Großteil solcher Aktionen nicht mehr von Menschen, sondern künftig von Robotern ausgeführt wird.

Kredit-Anfrage abgelehnt

Mit seinem Roboter-Startup trifft er nicht überall auf Verständnis. Bis Ende dieses Jahres peilt Wietfeld die Serienfertigung an. Dafür benötigt er Kapital, das ihm einige Banken bisher verweigert hätten, so der Gründer. Viele Finanzinstitutionen wollen mit den Themen Rüstung und Verteidigung nichts zu tun haben. Laut Wiefeld ist es deshalb schon schwer gewesen, eine Bank zu finden, bei der er einfach ein Konto eröffnen konnte.

Aktuell macht Arx Landsysteme keine Umsätze und bisher steckt auch noch kein VC-Geld in dem Startup. An den Tests mit Rheinmetall und Hensoldt verdient die Firma aus München auch nichts. Das einzige Geld, das in der Firma steckt, ist Wietfelds Erspartes. Mehrere Zehntausend Euro an Eigenkapital habe er investiert, sagt er. Finanzieren konnte er den Bau der Roboter auch deshalb, weil er keine Gehälter an seine neun Mitarbeiter ausgezahlt hat. Die arbeiten bisher nebenberuflich im Startup und sind überwiegend selbst bei der Bundeswehr beschäftigt.

Eine weitere Hürde sieht der Gründer darin, sein Gerät in die Bundeswehr zu bekommen. Denn dafür muss er es durch die Prüfung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) schaffen. Bisher ist es so, dass das Beschaffungswesen mit seinen langwierigen Prozessen nicht darauf ausgelegt ist, dass sich junge, schnell wachsende Startups daran beteiligen. Dadurch haben die Großen in der Branche wie Rheinmetall, Lockheed Martin oder Hensoldt in Ausschreibungen stets die Nase vorn.

Die Münchner Firma Govradar arbeitet beispielsweise daran, das Beschaffungswesen mittels einer eigenen Plattform zu beschleunigen und zu modernisieren, den hochkomplexen Verteidigungssektor mit eingeschlossen. Kleine und mittelständische Unternehmen sollen so einen besseren Zugang zu staatlichen Aufträgen bekommen.

Wietfeld stehe bereits in Kontakt mit dem Cyber Innvoation Hub, wie er sagt. Die Einrichtung wurde 2017 gegründet und schmiedet Kooperationen mit Startups, deren Produkte oder Dienstleistungen im Militärbetrieb von Nutzen sein könnte. Im Fokus der Zusammenarbeit stehe da allerdings bislang sein anderes Projekt, die App zur politischen Bildung innerhalb der Bundeswehr. Arx Landsysteme sei bislang noch kein Thema gewesen. Das Interesse an solchen Fahrzeugen scheint aber da zu sein, glaubt der Gründer. Erste Anfragen habe Wietfeld bereits für seine Roboterfahrzeuge, die noch gar nicht einsatzbereit sind, bekommen – und zwar aus der Ukraine.

Video: Aufstand der Maschinen? Schach-Roboter bricht Finger seines Gegners