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Reaktionen auf Nahles-Rücktritt: "So brutal darf Politik nicht sein"

Andrea Nahles schmeißt hin. Die Politikerin hat angekündigt, in den kommenden Tagen ihren Rücktritt als SPD-Vorsitzende und als Chefin der Bundestagsfraktion zu erklären. "Die Diskussion in der Fraktion und die vielen Rückmeldungen aus der Partei haben mir gezeigt, dass der zur Ausübung meiner Ämter notwendige Rückhalt nicht mehr da ist", schrieb sie an alle SPD-Mitglieder. Die SPD-Vorsitzende wird wohl auch ihr Bundestagsmandat niederlegen. Der Zeitpunkt dafür steht aber noch nicht fest. Die Reaktionen auf den angekündigten Rücktritt fallen gemischt aus.

Andrea Nahles geht, doch wer kommt? (Bild: dpa)
Andrea Nahles geht, doch wer kommt? (Bild: dpa)

Nach der Rücktrittsankündigung von SPD-Chefin Andrea Nahles hat der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, die Vorgänge bei den Sozialdemokraten als brutal bezeichnet. "Hochachtung vor Andrea Nahles", teilte Bartsch am Sonntag mit. "So brutal darf Politik nicht sein. Vielleicht denken wir darüber alle einfach nur nach."

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Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Rücktritt von Andrea Nahles als SPD-Partei- und Fraktionschefin bedauert. "Das Land und die SPD haben Andrea Nahles viel zu verdanken", sagte er. "Die SPD befindet sich nicht erst seit der Europawahl in einer schwierigen Lage – wichtig ist daher, dass wir zusammenbleiben und die nächsten Schritte gemeinsam gehen."

Führende Sozialdemokraten kritisierten den parteiinternen Umgang mit Nahles in den vergangenen Tagen. Es habe teilweise an Solidarität gemangelt, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Der hessische Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel kritisierte: "Die Art und Weise, wie manche in den Tagen seit der für uns verlorenen Europawahl mit Andrea Nahles umgegangen sind, war inakzeptabel."

Juso-Chef Kevin Kühnert hat den innerparteilichen Umgang der Sozialdemokraten miteinander in scharfen Worten kritisiert:

Auch andere SPD-Politiker zeigten sich erschüttert über den Umgang mit Nahles. “Da hat auch Frauenfeindlichkeit eine Rolle gespielt”, sagte Fraktionsvize Karl Lauterbach der “Welt”. “Wir müssen darüber nachdenken, ob wir mit diesem Umgang tatsächlich Vorbild sein können.” Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, nannte den öffentlichen Umgang mit Nahles “schändlich”. “Einige in der SPD sollten sich schämen.”

Auch der ehemalige Parteivorsitzende Sigmar Gabriel forderte eine "Entgiftung" innerhalb seiner Partei. "

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bekräftigte die Bereitschaft ihrer Partei, das gemeinsame Regierungsbündnis fortzusetzen. "Wir stehen weiter zur großen Koalition", sagte sie in Berlin. Zugleich forderte sie die SPD auf, die anstehenden Personalfragen zügig zu klären.

Die Handlungsfähigkeit im Regierungsbündnis müsse gewahrt bleiben, sagte die CDU-Vorsitzende. Die CDU werde weiter ihren Beitrag leisten. Kramp-Karrenbauer wurde nach eigenen Angaben am Sonntagmorgen von Nahles darüber informiert, dass sie den SPD-Partei- und Fraktionsvorsitz abgeben will. Sie habe Nahles "immer als charakterstarke, aufrichtige und verlässliche Gesprächspartnerin erlebt", sagte Kramp-Karrenbauer.

Die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel twitterte:

Sie erklärte außerdem, die SPD bekomme jetzt die Quittung dafür, "dass sie Verrat am Wähler begangen hat".

Weidels Ko-Fraktionschef Alexander Gauland bezeichnte Nahles' Rücktritt als "konsequent". Nahles habe es nicht geschafft, die SPD zurück auf den Weg einer Volkspartei zu führen. Die SPD sei schon lange nicht mehr die Partei des kleinen Mannes. Sie habe ihr Markenzeichen verloren und stehe nun führungs- und inhaltslos da.

Thüringens SPD-Chef Wolfgang Tiefensee hat sich enttäuscht über den angekündigten Rücktritt der Bundesvorsitzenden Andrea Nahles gezeigt.

Nun komme es darauf an, "in Ruhe und ohne Schnellschüsse die Partei neu aufzustellen”, so Tiefensee.

"Die Entscheidung von Andrea Nahles verdient allergrößten Respekt", sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner. Der Umgangsstil innerhalb der SPD in den letzten Tagen und Wochen sei überhaupt nicht vom sozialdemokratischen Grundwert der Solidarität geprägt gewesen. "Wenn wir neues Vertrauen gewinnen und diese gravierende Krise überwinden wollen, muss sich das grundlegend ändern."

Andrea Nahles will nicht mehr (Bild: dpa)
Andrea Nahles will nicht mehr (Bild: dpa)

Der SPD-Abgeordnete Florian Post hat den Rücktritt von Andrea Nahles als SPD-Partei- und Fraktionschefin begrüßt. "Der Schritt ist richtig und konsequent», sagte Post der Deutschen Presse-Agentur. "Das war die letzte Möglichkeit, den Riss und die Spaltung wieder zu kitten.» Post hatte Nahles in den vergangenen Tagen scharf kritisiert. In der Fraktion sei nun bis zur für Dienstag anberaumten Neuwahl Zeit, dass sich Kandidaten melden. Er gehe davon aus, dass mögliche Bewerber bereits an exponierter Stelle in der Fraktion gestanden hätten und den Abgeordneten deshalb bekannt seien.

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Erik Marquardt, Parteirat für die Grünen, zeigte sich optimistisch:

Auch die Reaktionen im Netz sind gespalten:

Mit AFP, dpa.

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