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Warum eine Bademoden-Kampagne für Aufregung sorgt

Schon im vergangenen Jahr sorgte die Kollektion eines Online-Shops für Diskussionen. Der Vorwurf: kulturelle Aneignung. Nun gerät der Vorfall wieder ins Gespräch, denn er steht beispielhaft für viele Vorfälle dieser Art und zeigt, warum sie so schädlich sein können.

Erkennst du, was mit diesem Bikini-Foto nicht stimmt? Foto: Instagram/Shopmarli
An diesem Bikini-Foto stimmt was nicht (Foto: Instagram/Shopmarli)

Wenn du Anfang 2019 bei Instagram unterwegs warst, kann es gut sein, dass dir eine Marke namens Shop Marli in deinem Feed begegnet ist.

Die Marke wurde von australischen Influencern und Reality-Stars wie Jadé Tuncdoruk (besser bekannt als Jade Tunchy) bis “Bachelor”-Kandidatin Cass Wood gehyped. Zu kaufen gab es eine Reihe von Bikinis, Sportkleidung und Accessoires in einem sehr bekannt aussehenden Muster in rot, gelb und grün.

Es war die Modemarke der australischen Influencerin Madi Edwards, die in einem Interview 2018 sagte, dass ihre Farbwahl von der „bunten Farbpalette von Blumen und dem Grün von Inseln“ inspiriert wurde. Auf den Namen ist sie durch die Kombination von ihrem Namen mit „vielen verschiedenen Inseln“ gekommen.

Die Kollektion hieß übersetzt „Schiffbrüchigen-Kollektion“ und kam bei einigen von Madis Fans gar nicht gut an. Diesen fielen nämlich sofort bestimmte kulturelle Konnotationen auf, die so subtil wie ein Schlag ins Gesicht waren. Die Marke „Marli“ nutzte nämlich die Farben des afrikanischen Staates Mali, die außerdem für die Rastafari-Religion stehen, die durch Sänger Bob Marley bekannt wurde. Getragen wurde die Kleidung jedoch von einer Truppe ausschließlich weißer Instagram-Models.

Fans kritisieren „ignorantes“ Markenkonzept

Die Modelinie wurde von Madi Edwards ins Leben gerufen, die sagt, sie hat sich bei der Wahl von Rot, Gelb und Grün von Inselfarben inspirieren lassen. Foto: Instagram
Die Modelinie wurde von Madi Edwards ins Leben gerufen, die sagt, sie hat sich bei der Wahl von Rot, Gelb und Grün von Inselfarben inspirieren lassen. Foto: Instagram

Die Marke kam im Dezember 2018 auf den Markt, als einer der ersten Blicke auf die rot-grün-gelben String-Bikinis die Internetnutzer empörte.

„Die Tatsache, dass dein Label Badeanzüge und Kleidung in rot, grün, gelb und schwarz herausgebraucht hat und ignoriert, dass diese Farben für die Rastafari-Religion und Kultur stehen und welche Bedeutung sie dafür haben, ist ziemlich ignorant von dir“, schrieb ein jamaikanisch-kanadischer Nutzer zu dem ersten Bild der Sportkleidung, das auf Instagram geteilt wurde.

Aus einem ganz ähnlichen Grund bekam Adele Ärger: Um dieses Foto ging es

„Diese Farben stehen nicht für Inselfarben und das Grüne, sie stehen für jamaikanische Rastafari. Als Australierin weißt du ganz klar nichts von der kulturellen Bedeutung...“

Sam bezeichnete das Vorgehen des Labels schlicht und einfach als „kulturelle Aneignung.“

„Das ist kulturelle Aneignung wie sie im Buche steht. Und nirgendwo bestätigst du diese unverhohlene Unkreativität deines Labels... Es verstört mich, wie die Gentrifizierung einer Religion aus der Karibik etwas sein kann, worauf man stolz ist.“

Zahlreiche Kommentare üben Kritik am Unternehmen

Viele andere Nutzer waren ebenso verärgert.

„Eine weitere Firma, die fremde Kulturen aus Profitgier beklaut, eine weitere Firma ohne Moral“, schrieb jemand anderes. „Wie VIELE Jahre nach Abschaffung der Sklaverei wollt ihr eigentlich noch von uns stehlen????“

Andere störten sich nicht nur an der Verwendung kultureller Farben und Namen, sondern auch an dem Mangel an Vielfalt bei den Models, die den Badeanzug trugen.

„In keinem Post einer Marke namens Mali mit den Farben der Flagge überall ist auch nur eine Frau mit dunkler Hautfarbe zu sehen. Tatsächlich nutzen sie verschiedene Models auf der Homepage, aber der Großteil sind weiße australische Models.“

„Die Verbindung zur Rastafari-Kultur ist nicht zu verleugnen!“, bemerkte jemand „Und dazu gibt es keinerlei Repräsentation durch Frauen mit dunkler Hautfarbe! Und keine richtige Erklärung, wie dieses Label überhaupt entstanden ist.“

Sie waren nicht die einzigen. Dutzende weiterer Kommentare landeten unter allen Fotos auf der Seite.

Foto: Instagram/ shopmarli
Foto: Instagram/ shopmarli

Aneignung

Foto: Instagram/ shopmarli
Foto: Instagram/ shopmarli

Das ist unangebracht.

Foto: Instagram/ shopmarli
Foto: Instagram/ shopmarli

Es ist echt peinlich, dass man dumm genug ist, seine Marke „Marli“ zu nennen und dann auch noch unverhohlen Profit aus einer anderen Kultur schlägt, ohne es zuzugeben und ohne Respekt.

Foto: Instagram/ shopmarli
Foto: Instagram/ shopmarli

Ihr Leute müsst also unbedingt ein Rastafari-Design klauen??? Geht das nicht origineller? Braucht ihr einen Kreativdirektor?

Foto: Instagram/ shopmarli
Foto: Instagram/ shopmarli

Das kann doch nicht euer Ernst sein!!!! Hört auf, euch an meiner Kultur zu bedienen, ihr verdammten Geier!

All das geschah, noch bevor das Label richtig mit der Vermarktung seiner Produkte begann. Es ignorierte sämtliche Kritik.

Shop Marli war eigentlich eine Kollaboration zwischen Madi und der mittlerweile aufgelösten Firma inVue. Diese war eine Agentur, die auf das Schaffen, die Markteinführung und das Wachsen von Marken und Artikeln für Influencer spezialisiert war. inVue stellte sein Geschäft im April 2020 ein und konnte für eine Stellungnahme nicht erreicht werden.

Warum sprechen wir heute über Shop Marli?

Die australischen Influencer Ashley und Olivia Mescia posieren in Marlis „Margarita“-Bikini. Foto: Instagram.
Die australischen Influencer Ashley und Olivia Mescia posieren in Marlis „Margarita“-Bikini. Foto: Instagram.

Warum also ist eine mittlerweile aufgelöste Bikini-Marke von 2019 etwas, auf das wir heute achten sollten?

Laut Experten spricht das Beispiel, bei dem einfach ein kulturelles Symbol genutzt wird, ohne die Herkunft zu bestätigen oder sich mit ihr auseinanderzusetzen, Bände darüber, wie Aneignung aussieht und warum sie so schädlich ist.

Dasselbe gilt für die Tatsache, dass sämtliche Kritik ignoriert wurde und auch weiterhin ignoriert wird, ohne, dass es Konsequenzen gibt.

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„Die Tatsache, dass sie ganz klar unsere Kommentare gesehen, aber einfach nichts gesagt hat... bestätigt, dass weißes Privileg in Australien sehr lebendig ist!!“, schrieb jemand damals in einem Instagram-Kommentar.

Shop Marli verkaufte weiter seine Schiffbrüchigen-Kollektion.

Madi Edwards reagierte nie auf Kritik auf der Seite und setzt ihre Karriere weiterhin ohne Hindernisse fort. Sie lebt und arbeitet momentan in den USA.

Weder Madi, noch die beteiligten Influencer reagierten auf Anfragen nach einem Kommentar.

Macht, Politik und Kulturdiebstahl

Madi modelt hier den Rico-Schal, den Sangria Sport-BH und die Long Island Leggings. Foto: Instagram
Madi modelt hier den Rico-Schal, den Sangria Sport-BH und die Long Island Leggings. Foto: Instagram

Dr. Shameem Black vom Institut für Gender, Medien und Kulturwissenschaft an der Australian National University sagt, dass Beispiele wie Shop Marli besonders aussagekräftig sind. Sie spiegeln nämlich die Machtdynamik zwischen den Kulturen wieder. Diese Machtverhältnisse zeigten sich auch deutlich in den oben zusammengefassten Ereignissen.

„Es kann durchaus etwas aus einer Kultur geben, das im Trend ist und das jeder liebt, aber die Menschen, die zu dem Teil der Welt gehören, werden häufig anders behandelt, werden diskriminiert oder sogar Opfer von Gewalt“, erklärt sie. „Auf diese Art von Ungleichgewicht macht der Begriff der kulturellen Aneignung aufmerksam.“

Dr. Benjamin Nickl, kulturwissenschaftlicher Forscher an der Universität Sydney, sagt, dass Marli ein gutes Beispiel dafür ist, wie Kultur kommerziell genutzt wird, ohne dass man sich mit ihr tiefer auseinandersetzt.

Er führt als Gegenbeispiel die australische Marke Clothing the Gap an. Diese ist ein indigen-geführtes Label, das Mode verkauft, die von der Kultur der Aboriginees inspiriert wurde. Sie soll Bewusstsein schaffen und ihre Kultur feiern.

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„Marli scheint keinen sozio-kulturellen Plan zu haben wie Clothing the Gap“, sagt Dr. Nickl. „Das kann den Unterschied ausmachen zwischen Modeproduktion, hinter der Werte stecken und der einfachen Aneignung, um schnell Geld zu machen.“

„Marli nutzt die Farben der malischen Flagge, spielt auf Bob Marleys Namen sowie auf Reggae und die Rastafari Kultur an. So wird durch Copy und Paste eine Lifesyle-Marke geschaffen, die sich nicht auf ihren authentischen Kontext oder ihre Originale bezieht“, so Nickl.

Ein kulturelles Mischmasch, das daneben ist

Die Bachelor-Stars Cass Wood und Sopie Tieman tragen bei Marlis Launch den „Rico“-Schal. Foto: Instagram
Die Bachelor-Stars Cass Wood und Sopie Tieman tragen bei Marlis Launch den „Rico“-Schal. Foto: Instagram

Und die Produktnamen des Labels helfen auch nicht gerade: Das „Margarita“-Top, der „Sangria“-Sport-BH, der „Rico“-Schal. Eine plötzliche Anspielung auf lateinamerikanische Kultur und von Afrika-inspirierte Farben und Markennamen sind laut Dr. Black ein guter Anhaltspunkt dafür, dass so gut wie kein kulturelles Verständnis herrscht.

„Es scheint eine wahllose Hinwendung zu verschiedenen Arten 'anderer' Kulturen zu sein, die vor allem die Tatsache gemeinsam haben, dass sie als außerhalb einer Art westlicher Weißheit wahrgenommen werden", betont Dr. Black.

Und es scheint, als ob dabei ignoriert wird, dass das die Menschen dieser Kulturen verärgert.

„In diesem Kontext führt es zu Fragen, da sich die Bilder auf Black-Power-Symbole zu beziehen scheinen - und zwar in einer Zeit, in der Schwarzsein auf der ganzen Welt spannungsgeladen ist“, so Dr. Black.

„Es stellt sich die Frage, wer daran verdient.“

„Es scheint so, als werde es dazu benutzt, um für ein bestimmtes Bild von Weißsein am Strand zu werben... Bilder, die anscheinend die komplexe politische Lage heutzutage völlig ignorieren.“

Eine Chance für ein Gespräch… wenn man es denn will

Die australische Mode-Influencerin Jade Tunchy posiert 2018 im Margarita-Bikinoberteil von Marli. Foto: Instagram
Die australische Mode-Influencerin Jade Tunchy posiert 2018 im Margarita-Bikinoberteil von Marli. Foto: Instagram

Es spricht schon für sich, wenn noch nicht einmal die Politik, die in den Kommentarbereichen laut wurde, anerkannt wird.

„Gespräche über kulturelle Aneignung helfen uns, wenn wir sie als Chance sehen, tiefergehende Fragen zu Kultur und weiteren Machtverhältnissen zu stellen“, so Dr. Black.

Sowohl Dr. Black als auch Dr. Nickl warnen vor der Tendenz, einfach Menschen, die hinter Labels wie Marli stehen, zu meiden oder zu beschimpfen. Stattdessen sollte man zu Gesprächen und Diskussionen ermutigen und die Sichtbarkeit der Kulturen fördern, die hier ausgebeutet werden.

Wie aber ein wütender Nutzer deutlich machte: Man kann keine Diskussion mit jemandem führen, der privilegiert genug ist, dich einfach zu ignorieren.

Vielleicht sollten sich diejenigen von uns, die sich dadurch angesprochen fühlen, umdrehen und zuhören.

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Penny Burfitt