Warum das muslimische Topmodel Halima Aden die Modebranche verlassen hat
Halima Aden hat es in der Modebranche weit geschafft - trotz oder womöglich auch wegen ihres Hijab, den sie für keinen Job ablegte - auch nicht für das Cover der “Sports Illustrated”. Doch obwohl Aden auf bestem Weg zum Supermodel-Status war, hat sie stattdessen im November die Branche hinter sich gelassen. Nun erklärt sie den Grund.
Vor knapp zwei Jahren waren alle Augen auf Halima Aden gerichtet, als sie es als erstes Model im Hijab auf das Cover der “Sports Illustrated” schaffte. Schon zuvor hatte sie einen wichtigen Meilenstein erreicht, als sie 2017 bei ihrem ersten Model-Vertrag - wohlgemerkt bei IMG, einer der größten Model-Agenturen der Welt - auf der Klausel bestand, die ihr so wichtige Kopfbedeckung nie abnehmen zu müssen.
Sie hatte Erfolg, und das, obwohl sie ihren eigenen Worten nach damals “ein Niemand” war. Für die Muslima kam eine Karriere als Model jedoch nur in Frage, wenn es mit ihren religiösen Werten vereinbar sein würde. “Es gibt Mädchen, die für einen Model-Vertrag sterben würden”, sagte sie der BBC. “Aber ich war bereit, direkt wieder zu gehen, wenn es nicht akzeptiert worden wäre.” Mit der gleichen Überzeugung hatte sie 2016 am US-Schönheitswettbewerb zur Wahl der Miss Minnesota teilgenommen und hatte es im Hijab bis ins Halbfinale geschafft.
Der Hijab wurde immer kleiner
Über die kommenden Monate und Jahre hinweg mauserte sich Halima Aden rasch zum weltbekannten Topmodel. Ihr großer Durchbruch gelang ihr, als sie 2019 auf dem Cover der “Sports Illustrated” landete. Es ist die Art Moment, die die Karriere eines Models für immer verändert, und Aden wurde zu einem der Symbole für mehr Inklusion und Vielfalt in der Modebranche erkoren.
Doch es wurde zunehmend schwieriger, die Kontrolle über die Kleidung, die sie für ihre Aufträge tragen musste, zu behalten, wie sie der BBC nun erklärt. Zu Beginn sei sie mit einem Koffer voll mit ihren eigenen Kopfbedeckungen und langen Röcken angereist. Der schwarze Hijab, den sie für ihre erste Kampagne für Rihannas Marke Fenty Beauty trug, gehört ihr selbst.
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Dies war nicht immer möglich. “Ich habe mich letztendlich treiben lassen und bin in der verwirrenden Grauzone gelandet, in der ich das Team am Set meinen Hijab stylen ließ.” Im letzten Jahr ihrer Karriere sei der Hijab immer kleiner geworden, und manchmal wickelte sie sich nur noch andere Kleidungs- und Stoffstücke oder sogar eine Jeans um Kopf und Hals.
Die Modebranche ist laut Halima Aden nicht mit ihrem Glauben vereinbar
Auch andere Aspekte der Branche waren für Aden schwer zu akzeptieren. Eine weitere Klausel in ihrem Vertrag sagte ihr eine sichtgeschützte Box zu, damit sie selbst im Backstage-Tumult einer Modenschau stets genug Privatsphäre beim Umziehen habe. Doch andere Hijab-Models hatten solche Privilegien nicht. Zu sehen, wie anderen Muslimas gesagt wurde, sie sollten sich auf der Toilette umziehen, oder wie diese auf Events von “Trauben von Männern verfolgt oder umzingelt” wurden, fiel Aden zunehmend schwerer. “Es kann eine ganz schön unheimliche Branche sein.”
Die Hoffnungen des in einem somalischen Flüchtlingslager geborenen Models, den Weg für nachfolgende Hijab-Models zu ebnen, schwanden zunehmend dahin. Auch fiel es ihr mit ihrem vollen Terminplan immer schwerer, ihren Glauben so praktizieren, wie sie es gewohnt war. Immer mehr Familienzusammenkünfte und religiöse Feste musste sie absagen, weil sie gerade für ihre Arbeit auf Reisen war.
Eine Branche voller “Fetish-Fantasien” und Nacktheit
Oft war sie auch mit ihren Kampagnen selbst nicht glücklich. Als Beispiel nennt sie ihre Cover-Story für das “King Kong”-Magazin im September 2019. Auf dem Cover ist sie mit reichlich farbigem Lidschatten, zu einem bunten Kopfschmuck drapierten Tüchern und Schmuck, der ihr Gesicht maskenartig bedeckt, zu sehen. “Das Styling war grauenvoll. Ich sehe darauf aus wie eine Fetish-Fantasie eines weißen Mannes”, sagte sie heute.
Ebenso schlimm fand sie die Tatsache, dass in der Zeitschrift in einem anderen Artikel ein nackter Mann abgebildet war. “Wie kommt ein Magazin auf die Idee, dass es in Ordnung ist, eine Muslima im Hijab abzubilden, wenn auf der nächsten Seite ein nackter Mann ist?” Es gehe gegen alles, woran sie glaube.
Corona öffnete ihr die Augen
Die Corona-Krise brachte sie schließlich zum Nachdenken. Mit ausfallenden Fashion Events verbrachte sie mehr Zeit bei ihrer Familie und merkte, dass der Gedanke, 2021 wieder weiterzumachen wie vorher sie nervös machte. Also beschloss sie, ihre Karriere aufzugeben.
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Zukünftig wolle sie sich weiter wohltätig engagieren. Zunächst jedoch wolle sie sich eine Pause gönnen und Zeit mit ihrer Familie verbringen. “Ich war noch nie richtig im Urlaub. Ich stelle meine psychische Gesundheit und meine Familie an die erste Stelle. Ich überlebe nicht mehr nur, sondern blühe auf.”
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