Kommentar: Die SPD muss mit Gerhard Schröder brechen

Die Sozialdemokraten beraten heute über ihre Russlandpolitik. Allein, dass sie dies tun müssen, ist Ausweis eines Mangels. Ihrem schwurbelnden Altkanzler und Putin-Lobbyisten muss die SPD die Tür weisen – der Haltung und des Friedens willen.

Altkanzler Gerhard Schröder bei einem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg (Bild: REUTERS/Maxim Shemetov)
Altkanzler Gerhard Schröder bei einem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg (Bild: REUTERS/Maxim Shemetov)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Heute in der Früh verbog sich Lars Klingbeil auf artistische Weise. Ihm gelang keine Kranich-Yogahaltung vorm Waschbecken, sondern im ARD-Morgenmagazin. „Wenn der Kanzler sich hinstellt und sagt, alle Optionen liegen auf dem Tisch, sollte von Russland die territoriale Integrität der Ukraine angegriffen werden, dann ist das klar und unmissverständlich“, sagte der SPD-Vorsitzende dort. „Das ist eine deutliche Ansage gegen Russland.“ Denen im Kreml werden schon die Knie schlottern.

Solange Olaf Scholz diese Optionen nicht benennt, sind seine Worte alles andere als klar und unmissverständlich. Sie wabern im Nebel des Ungefähren und sind genau das, was Wladimir Putin, dem autokratischen Herrscher über Russland, gefällt.

An der Grenze zur Ukraine stehen 100.000 Soldaten, und man fragt sich warum. Zum Picknick? Die Ukraine hat nichts unternommen, was nach irgendeiner Bedrohung Russlands aussähe. Wenn also der Kreml von Bedrohungen spricht und „Sicherheitsgarantien“ verlangt, dann geht er schlicht nach dem gewohnten Diktatorenschema vor, indem er anderen vorwirft, was er selbst macht. Diese Masche ist billig, aber sie funktioniert, zumindest bei Teilen der SPD.

Bei den Sozialdemokraten gibt es eine tiefe Sehnsucht nach Frieden. Mit einem Bein stand sie in der Friedensbewegung während des Kalten Krieges, immer setzte sie auf Diplomatie. Und das war gut so. Als sich Kanzler Gerhard Schröder zum Beispiel im Jahr 2003 einem Krieg im Irak verwehrte, handelte er richtig, während sich Oppositionsführerin Angela Merkel blamierte.

Putin beim Wort nehmen

Nun spielt die russische Regierung den Kalten Krieg weiter. Skandinavische und osteuropäische Staaten wollen in die Nato? Verrat und Bedrohung! Dass deren Bewegung gen Westen allein mit dem aggressiven Gebaren Putins zu tun hat? Nonsens! Putin setzt auf die militärische Karte, weil er sich davon etwas verspricht. Ganz bestimmt nicht hat er Völkerverständigung und Frieden im Sinn, sondern vielmehr Machtgewinn; oder zumindest das Ablenken von inneren Problemen. Diktatorengehabe halt.

Dem muss eine Grenze gesetzt werden. In aller erster Linie durch die Androhung harter Wirtschaftssanktionen, die schmerzen würden, auch hierzulande. Doch da wird es dann still. Scholz besaß die Chuzpe, den Bau der Gasleitung Northstream 2 als Privatangelegenheit zu beschreiben – dabei ist dies politisch bis in die Haarspitzen. Und Manuela Schwesig, die SPD-Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, ist nur deshalb so vehement gegen einen Stopp dieses Projekts, weil es ihrem Land Jobs und Steuergelder beschert. Und dies auf Kosten eines Krieges?

Die SPD sollte sich wirklich auf ihre pazifistische Historie besinnen und die Gefahren durch Putins militaristische Aggressionen anerkennen. Dann käme sie auch auf die Idee, ihrem Altkanzler Gerhard Schröder endlich einmal gründlich die Leviten zu lesen, denn der Genosse hatte nichts Besseres in den vergangenen Tagen zu tun, als von einem „Säbelrasseln“ zu sprechen, meinte aber nicht Russland, sondern die bedrohte Ukraine, die gerade in einer Art Schockstarre verharrt. Ach ja, ich vergaß: Schröder gilt als einer besten Wirtschaftslobbyisten Putins, er ist mit mehreren Staatsfirmen Russlands verbandelt und vertritt gegen gutes Geld ihre Interessen, die oft sehr, sehr politisch sind.

Ein rasches Ende ist plötzlich möglich

Die SPD-Spitze kann Schröders verbales Irrlichtern nicht mehr abtun. Man erinnere sich nur an sein Gebaren im Fall Alexej Nawalni. Nach dem Giftgasanschlag auf den Kremlkritiker, schwurbelte er, es gebe überhaupt „keine gesicherten Fakten“ für eine russische Beteiligung und warnte vor „Spekulationen“. Als dann später Nawalnys von Moskauer Sicherheitskräften verhaftet wurde, wollte er sich dann nicht mehr in die „tagesaktuelle Diskussion“ um eine Freilassung einlassen.

Es reicht nicht mehr, Schröder zu überhören oder zu ignorieren. Er sollte verdammt werden.

Und Scholz sollte seine Strategie ändern. Seine Politik der Unsichtbarkeit mag auf dem Vorsatz beruhen, dass sich die Leute an ihn gewöhnen sollen, als Ruhepol und Magnet zugleich, als Faktotum, das einfach nicht mehr wegzudenken ist und in der immer volatiler werdenden Zeit immer volatiler werdender Parteienkonstellationen stets als erstes gefragt wird. Doch auf diesem Weg könnte Scholz stolpern. Da er sich Merkel eh zum Vorbild nimmt, könnte er sich ihre ersten Regierungsmonate noch einmal genauer anschauen: Merkel kam nicht gesichert ins Amt und musste erst einmal ihre Basis aufbauen, wie Scholz. Sie tat dies durch umtriebige Außenpolitik, durch viele Reisen, durch Impulse. Von Scholz ist diesbezüglich zu sehen: nichts. Die SPD braucht einen inneren Tritt in den Allerwertesten.

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