Kommentar: So wird Robert Habeck sein Graichen-Problem nicht los

Wirtschaftsminister Robert Habeck (rechts) und sein Staatssekretär Patrick Graichen bei einer Pressekonferenz im Januar in Berlin (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)
Wirtschaftsminister Robert Habeck (rechts) und sein Staatssekretär Patrick Graichen bei einer Pressekonferenz im Januar in Berlin (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)

Der Bundeswirtschaftsminister und sein Staatssekretär: Die Aufklärung bei der Postenbesetzung mit einem Freund läuft schleppend. Das öffnet die Tür nur für weitere Kampagnen. Habeck braucht nun einen klaren Schnitt.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Mit Robert Habeck kam eine Vision. Der kann nicht nur reden, so die allgemeine Wahrnehmung, der bringt auch einen neuen, ehrlichen Stil mit. Eine Politik auf Augenhöhe. Und es ist nicht so, dass sich der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz nicht auf neue Themen stürzt. Aber nun hält ihn ein enger Vertrauter auf.

Liest man die dauererregte „Bild“, bahnt sich ein „Graichen-Gate“ im Ministerium an. Ein Familienclan, der um sich greift, durch Posten miteinander vernetzt – und das auch noch bei den gemeinhin besserwissenden und moralisch auftretenden Grünen: ein gefundenes Fressen für all jene, die für ihr schlechtes Gewissen einen Blitzableiter suchen. Doch was ist genau passiert?

Sein Staatssekretär Patrick Graichen war Mitglied einer Auswahlkommission. Die suchte einen Chef der wichtigen Energie-Agentur. Was die anderen Mitglieder und auch Habeck nicht wussten: Der Kandidat, der dann ausgewählt wurde, war Graichens Trauzeuge und Freund. Dies machte der Staatssekretär erst bekannt, als es schon „zu spät“ war. Klar, dass der Vorwurf der Vetternwirtschaft erstmal im Raum ist. Da hilft es auch nicht, wenn solche Verdachte traditionell eher bei CSU und CDU zu finden sind, im Gegenteil; die Grünen haben andere Ansprüche an Anständigkeit, das bringt die Achtsamkeit für Umwelt und Mitmenschen mit sich und klingt arrogant, ist aber dennoch so.

Und Vergehen bleibt Vergehen. Da kann der Buddy von Graichen ein noch so gut qualifizierter Kandidat sein, aber Transparenz bei Postenbesetzung, gerade verantwortungsvollen, ist eine Grundbedingung. Wer daran scheitert, muss Konsequenzen ziehen.

Worte reichen nicht

Und da sind wir bei Habeck. Für die Besetzung kann er nichts, der Fehler ist auf dem Komposthaufen seines Staatssekretärs gewachsen. Aber Habeck denkt womöglich, er kann durch seine entwaffnende Ehrlichkeit diesen Skandal wegreden. Er gibt den Fehler zu, das Verfahren werde neu aufgerollt. Sieht so eine Fehlerkultur aus?

Der deutsche Minister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (r) bei einer Pressekonferenz mit dem Staatssekretär für Klima Patrick Graichen (Bild: Getty).
Der deutsche Minister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (r) bei einer Pressekonferenz mit dem Staatssekretär für Klima Patrick Graichen (Bild: Getty).

Nein. Denn in der Politik ist das Geschwisterchen dieser Kultur die Konsequenz. Das Fehlverhalten von Graichen muss Folgen haben. Der Staatssekretär muss selbst erklären, wie es dazu kam – bisher hören wir nur verdruckste Worthülsen. Und je länger Graichen mit dem reinen Tisch wartet, desto unvermeidlicher wird die radikalste Konsequenz: dass er zurücktreten wird.

Was es jetzt braucht, ist eine Rüge, eine Distanzierung. Graichen sollte Urlaub nehmen, sich vom Amt für eine gewisse Zeit absentieren. Und dann überlegen, ob er zurückkehren sollte. Nur so hat er theoretisch eine Chance, seinen Job zu behalten. Denn was passiert ist, eignet sich allemal als Rücktrittsgrund.

Krisenmanagement geht anders

Denn es hilft nicht, dass viele andere Vorwürfe rund um diesen „Graichen-Gate“ an den Haaren herbeigezogen sind. Dass seine Geschwister im Öko-Institut arbeiten, welches auch Aufträge aus dem Ministerium bezieht, ist bei aller kritischster Betrachtung nicht skandalträchtig. Deren Anstellung und Engagement sind losgelöst von Graichen, es gibt klare Complianceregeln zum Umgang und bisher keinen Hinweis, dass dagegen verstoßen worden wäre. Und dass man in der Familie ähnliche politische Meinungen teilt, würde die CSU niemals als Verbrechen ansehen. Wenn dann ferner die eine Schwester mit dem Staatssekretärskollegen Graichens verheiratet ist – so what? Wo liegt darin irgendein Beef?

Doch beim Ding mit dem Trauzeugen liegt etwas im Argen. Da wurde ein großer Fehler begangen. Denn Transparenz ist kein schmückendes Beiwerk, sondern heilig. Wer dagegen verstößt, kann sich davon nicht nur durch hehre Worte freisprechen, sondern muss Taten folgen lassen.

Graichen muss irgendetwas unternehmen. Oder gleich gehen.

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