"Kontraste" zeigt erschreckende Reportage über arabische Clans in Deutschland

Arabische Clans leben in Deutschland eine Parallelgesellschaft aus, die schlimme Ausmaße annimmt. Foto: ARD/rbb Kontraste
Arabische Clans leben in Deutschland eine Parallelgesellschaft aus, die schlimme Ausmaße annimmt. Foto: ARD/rbb Kontraste

“Wie arabische Clans in Deutschland herrschen” hieß der Beitrag, den “Kontraste” am Donnerstagabend zeigte. Er könnte aber genauso gut “Wie Integration gescheitert ist” heißen. Denn nichts anderes zeigt der Film: Großfamilien, die in den 80er Jahren aus der Türkei oder aus dem Libanon nach Deutschland kamen, hier abgestellt wurden und ihre eigene Parallelwelt gründeten – mit schrecklichen Ausmaßen.

Neun Monate lang haben sich die Redakteure der ARD gemeinsam mit denen der Berliner Morgenpost am Thema “arabische Clans” abgearbeitet. Dabei waren sie nicht nur in der Hauptstadt unterwegs, sondern auch in Essen, Dortmund, Hannover, Bremen und Erkenschwick. Tatsächlich haben sie Mitglieder der Familien gefunden, die ihnen Interviews gaben, die sie begleiten konnten.

Nur in wenigen Andeutungen jedoch erfährt der Zuschauer wie es überhaupt soweit kommen konnte. Ein Familienmitglied in der Türkei erzählt, er sei auch mal in Bremen gewesen für drei Monate und habe dort eine Art “Gehalt” bezogen – und meint damit Sozialhilfe. Ein anderer antwortet auf die Frage, warum Deutsche nicht stärker ins Drogengeschäft einsteigen: “Die Deutschen sind gut in der Schule, die bekommen kein Hartz IV.” Und nur wer Hartz IV bekäme, würde daraus einen Ausweg, beispielsweise im Drogenhandel, suchen. Khaled Miri – Mitglied des großen Miri-Clans – sagt: “Wenn man in der Sonnenallee aufgewachsen ist, lernst du richtig gut Arabisch.”

All diese Sätzchen – ein zarter Hinweis auf ein großes Problem: misslungene Integration. Wer als Gastarbeiter oder aus anderen Gründen in den 80er Jahren nach Deutschland kam, dem wurde kein Deutschunterricht zu Teil, der wurde nicht im örtlichen Fußballverein angemeldet. Integration war damals noch eine Einbahnstraße, etwas von dem man erwartet, dass sich die Ausländer selbst drum kümmern. Etwas, das schon irgendwie passieren wird.

Clans haben ihre eigenen Gesetze

Nun sehen wir die Ergebnisse bei “Kontraste”: Arabische Großfamilien machen ihre Gegenden unsicherer durch Drogengeschäfte, durch Schutzgelderpressung. Ein Friseur erzählt, dass ihm nahe de Sonnenallee die Scheiben eingeworfen wurden. Warum sei unklar. Schutzgeld zahle er nicht. Er hat sich an die deutsche Polizei gewendet, viele andere vertrauen nicht so sehr in die deutsche Gesetzgebung.

Die Clans haben ihre eigenen Gesetze. So erzählt Khaled Miri: “Wenn ich dir sage, dass bei uns Gewalt nicht vorkommt, dann würde ich dich anlügen, aber das ist das letzte Mittel.” Friedensrichter der Clans – also ihre moralische Instanz – ist in Essen Jamal El-Zein. Er kann kein Deutsch, muss übersetzt werden: “Wenn ein bis zwei Leichen auf den Boden fallen, dann lösen wir das innerhalb von zwei Wochen.” Er hält seinen Posten für wichtig, auch für die deutschen Behörden. Ohne das System der Paralleljustiz wäre die Gewalt in den Clans viel größer: “Dann hätte es in Essen schon 50 Tote gegeben”, sagt er.

Die deutsche Rechtsprechung – ein Witz

Thomas Jungbluth vom Landeskriminalamt NRW ist nicht so begeistert von dieser Parallelwelt: “Wenn man den Staat als Regelungsorgan ablehnt, dann kann organisierte Kriminalität entstehen.” Seine Funktion als echten Bestrafer scheint Deutschland aber schlecht auszuführen. Die Clans finden die deutsche Rechtsprechung lächerlich. “Wenn Hassan P. wegen Drogenhandel zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt wird…. Dann hab ich einen guten Anwalt gehabt. Das ist Demokratie. Das sind doch eure Gesetze”, sagt Khaled Miri. Zu schwach, zu locker, zu wenig – die deutsche Rechtsprechung ist für den jungen Mann ein Witz.

Dass sie nicht ernst genommen wird, ist auch für Staatsanwältin Susann Wettley ein Problem: “Die Täter sind meist sehr schwer ermittelbar, unter 21 Jahren bekommen sie relativ milde Strafen, landen meist im offenen Vollzug. Da muss man vielleicht ansetzen.”

Leider wird in der Reportage relativ wenig hinterfragt, zum Beispiel, warum die arabischen Familien nicht den legalen Weg wählen. Schließlich hat Khaled Miri ihre Ziele genau definiert: “Wir wollen das Unmögliche, wir wollen auch den Reichtum haben, den andere Menschen haben. Warum sollen nur andere reich sein?” Drei Wege führen zu diesem Ziel: betteln, stehlen oder arbeiten. Die meisten der Clans entscheiden sich für stehlen und erpressen. Manche gehen arbeiten, verkaufen Drogen.

Außerdem hätte man fragen können, was sie denn an Deutschland so lieben? All die “Geschäfte”, denen die Familien nachgehen, könnte man genauso gut in ihren Heimatländern betreiben. Aber dort gibt es vielleicht zu wenig Geld? Man hätte auch fragen können, wie Miri eigentlich das “ihr” und “wir” genau definiert? Was für eine Rechtsprechung er denn als akzeptabler, abschreckender betrachten würde, wenn ihm “unsere” Gesetze zu lax sind. Man hätte einfach ein bisschen mehr hinterfragen können und so noch mehr das Wesen dieser Clans aufdecken können, ihre Beweggründe, ihre Denkmuster. So bleibt es eine eindrückliche und erschreckende Reportage – an der Oberfläche.