"In Teilen Deutschlands hat die organisierte Kriminalität das Sagen"

Mafia-Experte und Autor Roberto Saviano ist sich sicher: In Deutschland wird das Problem der organisierten Kriminalität nicht entschlossen genug angegangen.

Kaum einer kennt sich so gut mit der Mafia aus wie Roberto Saviano. Seit 13 Jahren steht der gefeierte Autor ("Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra") unter Polizeischutz, nachdem er detailliert im Milieu der neapolitanischen Mafia recherchiert hatte. Aber nicht nur in Italien, auch in Deutschland sei das organisierte Verbrechen allgegenwärtig, berichtet Saviano im Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau anlässlich des Kinostarts von "Paranza - Der Clan der Kinder".

"Auch in Deutschland gibt es Kohorten von Abgehängten in Problemvierteln, in denen die organisierte Kriminalität das Sagen hat. Nur spricht hier kaum jemand darüber", sagt Saviano. "Das mag daran liegen, dass es weit weniger Todesopfer gibt als in Italien." Schuld sei auch eine "gewisse Ignoranz" in Deutschland: "Man glaubt, dass Bandenkriege in Ghettos wenig bis keine Bedeutung für die Gesellschaft haben." Das sei ein Problem, das nicht nur auf die Bundesrepublik, sondern auch auf "immer mehr westliche Gesellschaften" zutreffe.

Die Macht dieser mafiösen Clans sei heute "relativ stabil", glaubt Saviano. Verwunderlich dabei sei, "dass das politische Europa Bedenken gegen mafiöse Strukturen und organisiertes Verbrechen ausgeräumt hat. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass London, Liechtenstein und Malta die Geldwäschezentren der Mafia sind. Wir halten Europa offen für schmutziges Geld, schließen aber die Tore für Flüchtende."

Für den Kinofilm "Paranza - Der Clan der Kinder" (Kinostart: 22. August) schrieb Mafia-Kenner Saviano nicht nur die Romanvorlage, sondern auch das Drehbuch. Der Film von Regisseur Claudio Giovannesi erzählt die wahre Geschichte einer Gruppe Jugendlicher, die in Neapel die Macht in der Mafia übernehmen.