Die größten olympischen Skandale: Das umstrittenste Basketballspiel aller Zeiten

Das Finale der Olympischen Spiele 1972 ging als kontroversestes Basketballspiel aller Zeiten in die Sportgeschichte ein (Bild: Rich Clarkson / Rich Clarkson & Assoc.)
Das Finale der Olympischen Spiele 1972 ging als kontroversestes Basketballspiel aller Zeiten in die Sportgeschichte ein (Bild: Rich Clarkson / Rich Clarkson & Assoc.)

Es ist fast unmöglich, die schiere Absurdität des Basketball-Finalspiels der Olympischen Spiele 1972 zwischen den zuvor unbesiegten Vereinigten Staaten und der Sowjetunion wiederzugeben. Vor dem Spiel um die Goldmedaille konnten die USA auf eine Spielbilanz von 63:0 zurückblicken, aber die Sowjetunion trug mit 51:50 in einem umstrittenen Spiel den Sieg davon.

Was ist passiert?

Die Olympischen Spiele sehen sich gerne als unpolitische Veranstaltung, aber die Spannungen des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion überlagerten auch dieses historische Finalspiel. Vor dem Finale 1972 verzeichneten die USA eine Bilanz von 63 Siegen und keiner Niederlage und hatten sieben Goldmedaillen in Folge gewonnen. Sie waren die großen Favoriten gegen die Sowjetunion, im Lauf der Veranstaltung ungeschlagen und hatten in der Gruppenphase ein Plus von 160 Punkten erzielt. Da Profis seinerzeit nicht zugelassen waren, konnten die USA ihre besten Spieler nicht entsenden und College-Superstar Bill Walton hatte abgelehnt.

Es war ein hart umkämpftes und hässliches Finale, in dem der sowjetische Star Alexander Below den Amerikaner Jim Brewer gewalttätig foulte und damit in der chaotischen ersten Hälfte aus dem Spiel nahm. Letztlich wird dieses Spiel für seine hektische letzte Minute in Erinnerung bleiben.

Das US-Team feierte bereits den Sieg - doch dann kam alles anders (Bild: Getty Images)
Das US-Team feierte bereits den Sieg - doch dann kam alles anders (Bild: Getty Images)

Bei drei verbleibenden Sekunden und einer hauchdünnen Führung der Sowjets von 49:48 wurde Doug Collins gefoult und erhielt drei Freiwürfe. Collins versenkte den ersten Wurf, aber bei seinem zweiten Wurf ging die Sirene, Schiedsrichter Renato Righetto beendet das Spiel nicht, und die USA gingen 50:49 in Führung.

Chaos brach aus. Ein sowjetischer Assistenztrainer lief auf das Feld und brachte vor, dass Cheftrainer Wladimir Kondraschin vor dem zweiten Wurf von Collins eine Auszeit genommen habe. Die Sowjets warfen den Ball ein, aber die Uhr wurde bei einer verbleibenden Sekunde angehalten, da die sowjetischen Trainer den Tisch des Punktezählers störten.

Ein Streit auf dem Spielfeld entspann sich, während das Spiel unterbrochen war. Die Sowjets brachten erfolgreich vor, dass sie vor dem ersten Freiwurf von Collins eine Auszeit genommen hatten. Und obwohl die Uhr offiziell bei einer verbleibenden Sekunde angehalten worden war, zählten die Offiziellen den Einwurf nicht und setzten die Uhr zurück auf 3 Sekunden. Trotz Protesten der USA fand ein zweiter Einwurf statt.

Below macht den entscheidenden Punkt für die Sowjetunion (Bild: Getty Images)
Below macht den entscheidenden Punkt für die Sowjetunion (Bild: Getty Images)

Während des zweiten Einwurfs wechselte die Sowjetunion illegal und von den Schiedsrichtern unbemerkt Iwan Jadeschka ein. Jadeschka spielte den Ball zu seinem Mannschaftskollegen Modestas Paulauskas, der steil an Below weitergab, aber der Ball erreichte sein Ziel nicht und die Zeit lief ab.

Während die USA ihren vermeintlichen Sieg feierten, griff FIBA-Generalsekretär Renato William Jones ein und verlangte, dass die Sowjets einen weiteren Einwurf mit drei verbleibenden Sekunden erhalten. Zwar hatte Jones kein Recht, die Offiziellen zu überstimmen, bekam aber seinen Willen und ein dritter und letzter Einwurf fand statt. Henry Iba, Cheftrainer der USA, war außer sich, aber besorgt, dass sein Team auf den Sieg und die Goldmedaille verzichten würde, wenn er es vom Feld nähme – eine unhaltbare Position für Iba und sein Team.

Mit dem dritten Einwurf warf Jadeschka einen Pass über das ganze Feld zu Sergei Below, einen Sprungball, um den Below, US-Verteidiger Kevin Joyce und Forward Jim Forbes kämpften. Below fing den Ball, Joyce konnte sich nicht abfangen und landete außerhalb, während Forbes ungeschickt fiel. So konnte Below ungehindert zum 51-50 Sieg versenken.

Die Spieler des US-Teams zeigen sich nach der Wendung fassungslos (Bild: Rich Clarkson / Rich Clarkson & Assoc. / Getty Images)
Die Spieler des US-Teams zeigen sich nach der Wendung fassungslos (Bild: Rich Clarkson / Rich Clarkson & Assoc. / Getty Images)

Below wurde von seinen Mannschaftskameraden stürmisch gefeiert, während die USA erfolglos gegen die Entscheidung protestierten. Das Spiel hatte komische Elemente, war aber für die Amerikaner nicht lustig.

Welche Reaktionen gab es?

Die USA waren über das Ende des Spiels extrem verärgert und der US-Basketballverband hat das IOC ohne Erfolg bearbeitet, das Ergebnis zu korrigieren. Sofort nach Ende des Spiels reichte das Olympische Komitee des US-Basketballs einen förmlichen Protest ein, der von einem fünfköpfigen Ausschuss der FIBA gehört wurde. Der Ausschuss stimmte mit 3:2 zugunsten der Sowjetunion. "Im Rahmen der Regeln der FIBA haben die Vereinigten Staaten gewonnen", sagte Hans Tenschert (Westdeutschland) der Punktezähler des Spiels.

"Wir können die Silbermedaille nicht akzeptieren, da wir der Überzeugung sind, Gold verdient zu haben", sagte Bill Summers, Vorsitzender des Olympischen Komitees des US-Basketballs, laut "The Guardian".

Das sowjetische Team feiert seinen Sieg (Bild: Getty Images)
Das sowjetische Team feiert seinen Sieg (Bild: Getty Images)

Auf sowjetischer Seite war man erwartbar anderer Meinung.

"Der Sieg gebührt uns, unabhängig von den Umständen. Wir haben sie von Anfang an in Unordnung gebracht, da wir zu Beginn eine andere Aufstellung hatten, um sie zu verwirren", sagte Wladimir Kondraschin, der sowjetische Chefcoach.

Welche Änderungen gab es bei späteren Spielen?

Offen gesprochen, nicht viele, obwohl es sich wohl um einen der größten Skandale in der Geschichte der Olympischen Spiele handelt.

Das US-Team streitet sich mit den Offiziellen (Bild: Rich Clarkson / Rich Clarkson & Assoc. / Getty Images)
Das US-Team streitet sich mit den Offiziellen (Bild: Rich Clarkson / Rich Clarkson & Assoc. / Getty Images)

Der Einsatz von Profis war bis 1992 nicht gestattet. 1992 erzielte das US-"Dream Team" mit zahlreichen Stars um Michael Jordan im Zenit seiner Laufbahn weltweite Aufmerksamkeit, dominierte den Wettbewerb und löste weltweit Interesse an einem Sport aus, der seit langem von den USA dominiert wird.

Seither hat es keine Kontroversen über Ergebnisse gegeben und die Qualität der Schiedsrichter ist heute viel besser als vor fast 50 Jahren.

Was machen sie heute?

Viele der Hauptbeteiligten sind verstorben oder haben sich seit langem aus dem Basketball zurückgezogen, aber dieses Finale wird in Erinnerung bleiben.

Das Team der USA ließ seine Silbermedaillen in einem Tresor in der Schweiz zurück. 2012 organisierte Spieler Kenny Davis ein Treffen der zwölf überlebenden Spieler der Mannschaft, die auch 40 Jahre nach dem Spiel übereinstimmten, ihre Silbermedaillen nicht zu akzeptieren.

Die Spieler des US-Teams bei der Reunion 2012 (Pablo Alcala/Lexington Herald-Leader/Tribune News Service via Getty Images)
Die Spieler des US-Teams bei der Reunion 2012 (Pablo Alcala/Lexington Herald-Leader/Tribune News Service via Getty Images)

Sergei Below starb 2013. 1992 wurde er in die Basketball Hall of Fame und 2007 in die FIBA Hall of Fame aufgenommen. 1991 wurde er als Nr. 1 der Liste der 50 größten Spieler der FIBA eingestuft.

Über das Spiel wurden mehrere Dokumentarfilme produziert. ESPN strahlte 2013 als Teil der Serie "30 for 30" die Doku "Silver Reunion" aus. Die russische Perspektive wurde 2017 im Film "Going Vertical" festgehalten.

Arun Srinivasan